Pandablues: Roman (German Edition)
1. Kapitel
Bitte nenn mich ab sofort nur noch Matti. Gruß, Matti
Verschlafen rieb ich mir die Augen. Es war 3:32 Uhr. Nicht, dass mich das irgendwie beunruhigte. Schließlich kam die SMS von meiner Mutter, Renate. Und diese Tatsache allein reichte schon, um zu wissen, dass solche Mitteilungen mitten in der Nacht nichts Ungewöhnliches waren. Im Gegenteil, es war sogar beruhigend zu lesen, dass es ihr augenscheinlich gut ging. Immerhin hatte sie sich einen neuen Namen ausgedacht.
Im Halbschlaf ließ ich mich zufrieden schmunzelnd zurück ins Kissen sinken und dachte an Renates übliche Katastrophenmeldungen. Wie sie mir letztes Jahr den Schock meines Lebens versetzte, als sie sich mit einem neunundzwanzigjährigen Eisbrecherkapitän absetzte und mir SOS-SMS aus der U-Haft in Grönland schrieb. Da war eine solche Mitteilung doch geradezu harmlos.
Renate will ab sofort nun also Matti heißen . Aha.
Nach dem Warum zu fragen wäre zu diesem Zeitpunkt völlig sinnlos; sie würde mir schon früh genug eine feierliche Erklärung liefern. Schließlich hatten sich Renate und ihr Eisbrecherkapitän, frisch aus dem Kittchen entlassen, für Weihnachten zu einem Deutschlandbesuch angekündigt. Zuerst hatten Renate und Jörn sich in Grönland das Ja-Wort geben wollen, sich dann aber doch entschlossen, dafür nach Deutschland zu kommen.
Ich wusste nicht genau, ob das wirklich eine so gute Idee war. Zwar freute ich mich, meine Mutter nach mehreren Monaten endlich wiederzusehen, aber gleichzeitig war mir eines auch ganz klar: Ich würde verdammt starke Nerven brauchen.
Und eine gute Flasche Rotwein.
Oder zwei.
Na ja, über Weihnachten wohl eher eine Kiste.
Und ich würde nicht teilen.
Schnaufend drehte Eric sich zu mir um. »Warum bist du wach? Ist irgendwas?«
»Bis jetzt noch nicht«, antwortete ich und kuschelte mich an ihn.
Aber das würde sich ganz sicher noch ändern.
*
Als ich mir gerade die Zähne putzte, kam Eric in unser zwergenhaftes Badezimmer geschlurft.
Man musste sich vorher immer überlegen, in welche Richtung man reinkam, weil man sich drinnen nicht mehr umdrehen konnte, so winzig war es.
»Guten Morgen, Schnurzel!« Er lächelte mich an und gab mir einen zarten Kuss auf die Nase, die ich sofort kräuselte.
»Morgen«, murrte ich.
Ich konnte morgens nämlich nur murren. Und ich fragte mich wieder einmal, wie man schon in aller Herrgottsfrühe so gut drauf sein konnte. Überhaupt vor vierzehn Uhr.
Eric und ich waren jetzt schon mehr als ein Jahr ein Paar. Nachdem wir zusammengekommen waren, war ich schnell zu ihm gezogen, weil ich damals übergangsweise und unfreiwillig bei meiner Freundin Trine untergekommen war. Besser gesagt, im Zimmer ihres Sohnes Finn, meines Patenkinds. Da der aber sein laserschwertbestücktes Ritterburgzimmer nach wochenlanger Belagerung auch wieder für sich allein haben wollte, war ich quasi direkt bei Eric eingezogen. Und vom ersten Tag an war er jeden Morgen gleich gut gelaunt.
Eine Zumutung!
»Und was steht heute an?«, fragte er interessiert, als er schon mal vorsorglich das Duschwasser anstellte, denn es dauerte immer eine gefühlte halbe Stunde, bis es richtig heiß wurde.
»Och, nichts Besonderes. Das Übliche, denke ich. Die Jungtiere werden noch mal durchgecheckt, aber das kennen sie ja schon.«
Eric interessierte sich wirklich für meine Arbeit im Zoo.
Nach einem Praktikum bei den Pinguinen war ich dort vor Kurzem fest übernommen worden. Ich fühlte mich bei den Tieren zwar wirklich wohl, trauerte aber meinem alten Job als Lektorin doch noch etwas hinterher. Auf die Dauer würde ich mehr Herausforderungen brauchen, das wusste ich. Aber für heute würde es erst einmal gut sein, wie es war.
Die Sonne schien bereits gleißend durch das winzige Badezimmerfenster, und ich stand meinem katastrophalen Spiegelbild schonungslos gegenüber. Meine wirren Haare, die weder glatt noch lockig waren, standen in alle Himmelsrichtungen ab. Wird das mit über dreißig eigentlich täglich schlimmer? Und überhaupt, wie kann Eric das nicht sehen?
Zumindest schien es, als würde er es nicht wahrnehmen, denn er rannte nicht schreiend weg, sondern stand seelenruhig und vor allem gut gelaunt neben mir.
»Du siehst morgens wirklich zum Anbeißen aus!« Eric pfiff nach einem kurzen Seitenblick auf mich anerkennend durch die Zähne.
»Hmpf!«
Irgendwie kann ich ihm nicht so recht glauben. Warum bin ich nicht eine von diesen Frauen, die morgens aufstehen und außer Wasser in ihr
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