Die Brueder Karamasow
selber gestand. ›Und wenn Gruschenka das erfährt, wird sie so einen Schuft nicht zum Mann haben wollen ... Woher sollte er also dieses verhängnisvolle Geld nehmen? Sonst war vorauszusehen, daß alles in die Brüche ging und nichts zustande kam. Und einzig und allein, weil ich nicht genug Geld habe, welche Schmach!‹
Ich greife vor: Das war es ja eben, daß er vielleicht wußte, wo er dieses Geld erlangen konnte! Genaueres will ich diesmal nicht sagen, später wird alles klarwerden. Jedenfalls bestand gerade darin für ihn das Hauptunglück, und ich will dazu wenn auch nur unklar, noch folgendes sagen: Um ein Recht zu haben, dieses irgendwo liegende Geld zu nehmen, mußte er vorher Katerina Iwanowna die dreitausend Rubel zurückerstatten. ›Sonst bin ich ein Taschendieb, ein Schuft, und ich will mein neues Leben nicht als Schuft beginnen!‹ sagte sich Mitja und beschloß, notfalls die ganze Welt auf den Kopf zu stellen, aber Katerina Iwanowna diese dreitausend Rubel um jeden Preis zurückzugeben. Der Schlußprozeß dieser Entscheidung vollzog sich bei ihm während des letzten Zusammenseins mit Aljoscha, vor zwei Tagen, am Abend, nachdem Gruschenka Katerina Iwanowna beleidigt und Mitja sich selbst als Schuft bezeichnet und seinen Bruder gebeten hatte, Katerina Iwanowna dies zu bestellen, falls ihr das ein Trost sein konnte. In jener Nacht nach der Trennung von seinem Bruder hatte er sich in seiner Raserei gesagt, es sei für ihn sogar besser, jemand totzuschlagen und zu berauben, als Katja die geschuldete Summe nicht zurückzugeben. ›Lieber will ich vor dem Ermordeten und Beraubten und vor allen Menschen als Mörder und Dieb dastehen und nach Sibirien wandern, als daß Katja berechtigt sein soll zu sagen, ich hätte sie betrogen und ihr Geld gestohlen und sei mitsamt diesem Geld mit Gruschenka geflohen, um ein tugendhaftes Leben zu beginnen!‹ Und Mitja konnte sich zeitweilig wirklich vorstellen, daß er mit einer Gehirnentzündung enden werde. Doch einstweilen kämpfte er ...
Merkwürdig, eigentlich schien ihm nun, angesichts einer solchen Entscheidung, nichts zu bleiben als zu verzweifeln: Woher plötzlich so eine Summe nehmen, noch dazu, wenn man so arm ist wie er? Und doch hoffte er die ganze Zeit bis zum Schluß, es könnte ihm irgendwie, notfalls mit Hilfe des Himmels, gelingen, die dreitausend Rubel zu beschaffen. Aber so geht es eben Leuten, die wie Dmitri Fjodorowitsch ihr ganzes Leben nur verstanden haben, das ihnen durch Erbschaft zugefallene Geld nutzlos zu verschwenden, und die keinen Begriff davon haben, wie Geld erworben wird. Ein Wirbelwind von Phantastereien hatte sich in seinem Kopf erhoben und alle seine Gedanken verwirrt, nachdem er sich vor zwei Tagen von Aljoscha getrennt hatte; er begann mit dem absonderlichsten Unternehmen – vielleicht scheinen solchen Menschen gerade in derartigen Lebenslagen die unmöglichsten, phantastischsten Unternehmungen am ehesten möglich.
Er beschloß, dem Kaufmann Samsonow, Gruschenkas Beschützer, einen »Plan« vorzulegen und sich dafür gleich die benötigte Geldsumme geben zu lassen. An seinem Plan zweifelte er in kommerzieller Hinsicht nicht im geringsten; zweifelhaft war ihm nur, wie Samsonow selbst sein Unternehmen ansehen würde, falls er Lust bekommen sollte, es eben nicht nur von der kommerziellen Seite zu betrachten. Mitja kannte diesen Kaufmann zwar von Angesicht, war jedoch nicht mit ihm bekannt und hatte mit ihm noch kein Wort gesprochen. Aber seltsamerweise hatte sich bei ihm die Überzeugung gebildet, und zwar schon seit längerer Zeit, dieser alte, schon vom Tode gezeichnete Wüstling würde sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt vielleicht gar nicht widersetzen, wenn Gruschenka ihr Leben irgendwie anständig gestalten und einen verläßlichen Menschen heiraten wollte, er würde es sogar selbst wünschen und gegebenenfalls selbst dazu beitragen. Ferner glaubte Mitja, sei es auf Grund irgendwelcher Gerüchte oder irgendwelcher Äußerungen Gruschenkas, der Alte würde ihn für Gruschenka Fjodor Pawlowitsch vielleicht vorziehen.
Vielleicht erscheint diese Spekulation auf Hilfe, diese Absicht, die Braut sozusagen aus den Händen ihres Beschützers zu empfangen, vielen Lesern zu unfein und skrupellos. Demgegenüber kann ich nur sagen, daß Mitja Gruschenkas Vergangenheit schon als abgeschlossen betrachtete. Er betrachtete sie mit grenzenlosem Mitleid und glaubte mit allem Feuer seiner Leidenschaft, sobald Gruschenka einmal erklärte, daß sie
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