Die Brueder Karamasow
dem Mitja wartete, war gewaltig groß und sehr düster; er rief unwillkürlich eine trübe, gedrückte Stimmung hervor, mit den zwei Fensterreihen, den Galerien, den »marmorierten« Wänden und den drei riesigen Kristallkronleuchtern in Überzügen.
Mitja saß auf einem Stuhl an der Eingangstür und erwartete in nervöser Ungeduld sein Schicksal. Als der Alte am gegenüberliegenden Eingang erschien, dreißig Schritte von Mitja entfernt, sprang er sofort auf und ging ihm mit festen, langen Militärschritten entgegen. Mitja war anständig gekleidet: zugeknöpfter Oberrock, den Zylinderhut in der Hand, schwarze Handschuhe – genauso wie vor zwei Tagen in der Zelle des Starez, bei der Familienzusammenkunft mit Fjodor Pawlowitsch und den Brüdern. Der Alte erwartete ihn stehend, mit würdevoller, ernster Miene, und Mitja fühlte sofort, daß er ihn von Kopf bis Fuß musterte. Auch fiel ihm Kusma Kusmitschs Gesicht auf, das in der letzten Zeit außerordentlich angeschwollen war: Die an sich schon dicke Unterlippe glich jetzt einem herabhängenden Fladen. Würdevoll und schweigend verbeugte er sich vor dem Gast und bot ihm einen Lehnsessel neben dem Sofa an; er selbst setzte sich, auf den Arm seines Sohnes gestützt und schmerzlich ächzend, Mitja gegenüber auf das Sofa. Und Mitja verspürte beim Anblick dieser schmerzlichen Anstrengungen sogleich Reue und feine Scham, weil er, ein unbedeutender Mensch, eine so würdige Persönlichkeit belästigte.
»Was steht Ihnen zu Diensten, mein Herr?« fragte der Alte endlich langsam, deutlich und ernst, aber höflich.
Mitja fuhr zusammen, schien aufspringen zu wollen, setzte sich aber gleich wieder hin. Dann begann er sofort zu sprechen: laut, schnell, nervös, mit lebhaften Handbewegungen und sichtlich aufgeregt. Zweifellos war dieser Mensch am Rande der Verzweiflung angelangt, er sah sich schon verloren und suchte einen letzten Ausweg, bereit, sich sofort ins Wasser zu stürzen, falls auch der fehlschlug.
Dies alles durchschaute der alte Samsonow wahrscheinlich in einem Augenblick, obgleich sein Gesicht unbeweglich und kalt blieb wie das eines Götzenbildes.
»Der hochverehrte Kusma Kusmitsch hat gewiß schon wiederholt von meinen Streitigkeiten mit meinem Vater Fjodor Pawlowitsch Karamasow gehört, der mich meines mütterlichen Erbes beraubt hat ... weil ja die ganze Stadt voll davon ist ... Denn hier schwatzen alle Leute von Dingen, die sie nichts angehen ... Und außerdem konnten Sie auch durch Gruschenka davon erfahren haben ... Pardon, durch Agrafena Alexandrowna, durch die von mit hochverehrte, hochgeachtete Agrafena Alexandrowna ...
So begann Mitja, stockte aber schon nach den ersten Worten. Wir werden seine ganze Rede nicht wörtlich anführen, sondern nur den Inhalt angeben. Die Sache sei die, daß er, Mitja, schon vor drei Monaten ausdrücklich einen Rechtsanwalt in der Gouvernementsstadt um Rat gefragt habe, »einen berühmten Rechtsanwalt, Pawel Pawlowitsch Korneplodow, Sie haben sicher von ihm gehört, Kusma Kusmitsch? Eine breite Stirn, ein fast staatsmännischer Geist ... Er kennt Sie ebenfalls, er äußerte sich über Sie sehr achtungsvoll ...« Hier blieb Mitja zum zweitenmal stecken. Durch solches Mißgeschick ließ er sich jedoch nicht aufhalten: Er ging ohne Zögern über vieles hinweg und strebte immer nur vorwärts. Dieser Korneplodow also habe ihn eingehend befragt und die Dokumente durchgesehen, die er, Mitja, ihm habe vorlegen können; über diese Dokumente drückte sich Mitja besonders unklar aus, an dieser Stelle hatte er es besonders eilig. Dann habe er sich dahingehend geäußert, daß man wegen des Dorfes Tschermaschnja, welches rechtmäßig ihm, Mitja, als Erbteil gehöre, tatsächlich einen Prozeß anstrengen und damit dem schändlichen Alten einen gehörigen Hieb versetzen könne ... Denn nicht alle Türen sind verschlossen, und die Advokaten wissen schon, wo man durchkommen kann. Kurz, man könne sogar auf sechstausend Rubel Nachzahlung von Fjodor Pawlowitsch hoffen; ja auf siebentausend, da Tschermaschnja immerhin nicht weniger als fünfundzwanzigtausend Rubel wert sei, das heißt gewiß achtundzwanzigtausend.«
»Dreißigtausend, dreißigtausend, Kusma Kusmitsch! Und denken Sie, ich habe noch nicht einmal siebzehntausend von diesem hartherzigen Menschen bekommen! Ich habe die Sache damals fallen gelassen, denn ich verstehe mich nicht auf das Gerichtswesen. Doch als ich hierherkam, wurde ich starr vor Staunen: Er wollte eine Gegenklage
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