Die Brueder Karamasow
Dieser hochgewachsene, beleibte Alte im Paletot, mit Uniformmütze und Kokarde, das war der Bezirkshauptmann Michail Makarowitsch. Und dieser schwindsüchtige Geck, der immer so blankgeputzte Stiefel trägt, das war der Gehilfe des Staatsanwalts. Er hat eine Uhr, die vierhundert Rubel gekostet hat; er hat sie mir mal gezeigt ... Und dieser kleine junge Mann mit der Brille ... Mitja hatte seinen Familiennamen vergessen, er kannte jedoch auch ihn, er hatte ihn schon gesehen, das war der Untersuchungsrichter, der erst vor kurzem von der Rechtsschule in unsere Stadt gekommen war. Und der hier, das war der Landkommissar Mawriki Mawrikijewitsch, den kannte er, das war ein guter Bekannter von ihm. Aber diese Männer mit den Blechabzeichen, wozu waren die da? Und dann noch zwei Leute, die wie Bauern aussahen ... Und da an der Tür Kalganow und Trifon Borissowitsch ...
»Meine Herren ... Was wollen Sie, meine Herren?« begann Mitja; doch plötzlich rief er wie außer sich, als ob er auf einmal ein anderer geworden wäre, mit voller Stimme: »Ich verstehe!«
Der junge Mann mit der Brille trat vor zu Mitja und sagte würdevoll, aber etwas hastig: »Wir müssen mit Ihnen ... Kurz, ich bitte Sie, hierherzukommen, hierher zum Sofa ... Es liegt für uns die dringende Notwendigkeit vor, mit Ihnen zu sprechen.«
»Der alte Mann!« schrie Mitja fassungslos. Der alte Mann und sein Blut ... Ich ver-ste-he!«
Und er setzte sich, oder genauer, er fiel auf einen neben ihm stehenden Stuhl.
»Du verstehst? Er hat verstanden! Du Vatermörder, du Ungeheuer, das Blut deines alten Vaters schreit nach dir!« brüllte plötzlich der alte Bezirkshauptmann und näherte sich Mitja mit dunkelrotem Gesicht; er war außer sich und zitterte am ganzen Körper.
»Aber das ist unzulässig!« rief der kleine junge Mann. »Michail Makarowitsch, Michail Makarowitsch! Das ist ordnungswidrig, das ist ordnungswidrig! Ich bitte Sie, mich allein reden zu lassen. Ein derartiges Verhalten habe ich von Ihnen nicht erwartet ...«
»Aber das ist ja Irrsinn, meine Herren, Irrsinn!« rief der Bezirkshauptmann. »Sehen Sie ihn an! Er hat das Blut seines Vaters vergossen und ist nachts in betrunkenem Zustand bei einer liederlichen Dirne ... Irrsinn, Irrsinn!«
»Ich möchte Sie dringend bitten, verehrter Michail Makarowitsch, für diesmal Ihre Gefühle zu beherrschen«, flüsterte der Gehilfe des Staatsanwalts dem Alten eilig zu. »Ich würde mich sonst genötigt sehen, Maßregeln zu ergreifen, um ...«
Doch der kleine Untersuchungsrichter ließ ihn nicht zu Ende sprechen; er wandte sich an Mitja und sagte laut und würdevoll mit fester Stimme: »Herr Leutnant außer Diensten Karamasow, ich muß Ihnen eröffnen, daß Sie des in dieser Nacht begangenen Mordes an Ihrem Vater Fjodor Pawlowitsch Karamasow beschuldigt werden ...«
Er sagte noch irgend etwas, auch der Gehilfe des Staatsanwalts schien noch etwas hinzuzufügen, Mitja hörte es zwar, verstand jedoch nichts mehr. Sein verstörter Blick irrte von einem zum anderen.
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Neuntes Buch
Die Voruntersuchung
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1.
Der Beginn der Karriere des Beamten Perchotin
Pjotr Iljitsch Perchotin, den wir verlassen haben, als er aus Leibeskräften an das fest verschlossene Tor des Hauses der Kaufmannswitwe Morosowa pochte, erreichte selbstverständlich am Ende doch sein Ziel. Fenja, die sich zwei Stunden nach dem großen Schreck in ihrer Erregung noch immer nicht hatte entschließen können, schlafen zu gehen, erschrak jetzt, als sie dieses stürmische Klopfen hörte, von neuem dermaßen, daß sie beinahe Weinkrämpfe bekam. Sie glaubte, da klopfte wieder Dmitri Fjodorowitsch, obwohl sie ihn mit eigenen Augen hatte abfahren sehen; niemand als er konnte so »unverschämt« klopfen. Sie eilte zu dem Hausknecht, der bereits aufgewacht und auf dem Weg zum Tor war, und bat ihn flehentlich, niemand hereinzulassen. Aber der Hausknecht befragte den Klopfenden genau, und als er erfuhr, wer da Fedossja Markowna in einer sehr wichtigen Angelegenheit zu sprechen wünschte, entschloß er sich endlich, doch zu öffnen. Pjotr Iljitsch ging zu Fedossja Markowna in die uns schon bekannte Küche, wobei sie ihn übrigens bat, er möchte, »um Mißdeutungen zu vermeiden«, erlauben, daß auch der Hausknecht mit hereinkam; dort begann er sie auszufragen, und erfuhr sofort eine besonders wichtige Tatsache: daß nämlich Dmitri Fjodorowitsch, als er Gruschenka suchen gegangen war, den Stößel aus dem Mörser mitgenommen hatte und
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