Die Brueder Karamasow
nachher ohne den Stößel und mit blutigen Händen zurückgekehrt war. »Und das Blut tropfte noch, es tropfte und tropfte nur so!« rief Fenja, die in ihrer aufgeregten Phantasie diesen schrecklichen Umstand offenbar selbst hinzuerfand. Doch die blutigen Hände hatte auch Pjotr Iljitsch gesehen, wenn das Blut auch nicht mehr getropft hatte, und er hatte selbst bei ihrer Säuberung am Waschtisch mitgeholfen; aber es handelte sich für ihn nicht darum, ob das Blut schnell getrocknet war oder nicht, sondern darum, wohin Dmitri Fjodorowitsch mit dem Stößel gelaufen war, das heißt, ob wirklich zu Fjodor Pawlowitsch, und woraus man das mit Bestimmtheit schließen konnte. Über diesen Punkt erkundigte sich Pjotr Iljitsch mit besonderem Nachdruck, und obgleich er nichts absolut Sicheres erfuhr, kam er doch fast zu der Überzeugung, daß Dmitri Fjodorowitsch einzig und allein zum Haus seines Vaters gelaufen sein konnte und daß dort unweigerlich »etwas passiert« sein mußte. »Als er aber zurückkam«, fügte Fenja aufgeregt hinzu, »und ich ihm alles gestanden hatte, da fragte ich ihn meinerseits: ›Wovon sind denn Ihre Hände so blutig, Dmitri Fjodorowitsch?‹ und da antwortete er mir, das sei Menschenblut, er habe soeben einen Menschen totgeschlagen. Das hat er mir alles gestanden, und dann ist er plötzlich weggelaufen wie ein Verrückter. Ich setzte mich hin und dachte: Wohin mag er jetzt wohl gelaufen sein? Er wird nach Mokroje fahren, dachte ich, und dort das gnädige Fräulein totschlagen! Da bin ich zu ihm in die Wohnung gelaufen, um ihn zu bitten, er möchte doch das gnädige Fräulein nicht totschlagen, und da bin ich am Laden von Plotnikow vorbeigekommen und habe gesehen, daß er gerade abfahren wollte und daß seine Hände nicht mehr blutig waren.« Fenja hatte das bemerkt und im Gedächtnis behalten. Die Großmutter Fenjas bestätigte, soweit sie konnte, alle Angaben ihrer Enkelin. Nachdem Pjotr Iljitsch noch diese und jene Frage gestellt hatte, verließ er das Haus; seine Aufregung und Unruhe waren jetzt noch größer als bei seinem Kommen.
Man könnte meinen, das Einfachste und Nächstliegende wäre nun für ihn gewesen, zum Haus Fjodor Pawlowitschs zu gehen, sich zu erkundigen, ob dort etwas vorgefallen war und was, und sich dann, wenn er sich auf diese Weise zweifelsfrei überzeugt hatte, zum Bezirkshauptmann zu begeben, wie er sich das fest vorgenommen hatte. Aber er überlegte: Die Nacht war dunkel, das Tor bei Fjodor Pawlowitsch war fest verschlossen; er müßte dort wieder klopfen; mit Fjodor Pawlowitsch war er nur oberflächlich bekannt; und wenn er durch langes Klopfen endlich erreicht hatte, daß man ihm öffnete, würde sich vielleicht herausstellen, daß nichts »passiert« war, der spottlustige Fjodor Pawlowitsch aber würde am anderen Tag in der ganzen Stadt herumerzählen, wie um Mitternacht ein unbekannter Beamter namens Perchotin an seinem Haustor gepoltert habe, um sich zu erkundigen, ob er auch nicht ermordet worden sei ... Das würde einen schönen Skandal geben. Und Skandale fürchtete Pjotr Iljitsch mehr als alles andere. Dennoch war das Gefühl, das ihn trieb, so stark, daß er sich, ärgerlich und wütend auf sich selbst, unverzüglich von neuem auf den Weg machte, aber nicht zu Fjodor Pawlowitsch, sondern zu Frau Chochlakowa. ›Wenn sie mir, so überlegte er, auf meine Frage, ob sie Dmitri Fjodorowitsch heute dreitausend Rubel gegeben hat, eine verneinende Antwort gibt, gehe ich gleich zum Bezirkshauptmann; im entgegengesetzten Fall werde ich alles weitere bis morgen verschieben und nach Hause zurückkehren ... ‹Hier drängt sich einem natürlich der Gedanke auf, daß der Entschluß eines jungen Mannes, nachts gegen elf in das Haus einer unbekannten vornehmen Dame einzudringen und sie vielleicht aus dem Bett aufzustören, um ihr eine seltsame Frage vorzulegen, noch viel eher zu einem Skandal führen konnte als ein Besuch bei Fjodor Pawlowitsch. Aber so geht es manchmal, besonders in Fällen wie diesem, mit den Entschlüssen selbst der korrektesten und phlegmatischsten Menschen! Pjotr Iljitsch aber war in diesem Augenblick ganz und gar nicht phlegmatisch. Er erinnerte sich später sein Leben lang, wie ihn die unüberwindliche Unruhe, die sich seiner damals allmählich bemächtigt hatte, schließlich geradezu gemartert und ihn sogar wider Willen vorwärts getrieben hatte. Natürlich beschimpfte er sich trotzdem auf dem ganzen Weg, daß er zu dieser Dame ging; doch er sagte
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