Die Brueder Karamasow
Ihnen, da können Sie sicher sein! Ohne das wäre es ja gar nicht gegangen, sagen Sie selbst! Mir ist es nur nicht in den Sinn gekommen.«
»Haben Sie die Güte, ausführlich zu erzählen, wie Sie sich damit bewaffneten?«
»Schön, ich werde die Güte haben, meine Herren.«
Und Mitja erzählte, wie er den Stößel genommen hatte und mit ihm davongelaufen war.
»Und welche Absicht hatten Sie, als Sie sich mit diesem Instrument bewaffneten?«
»Welche Absicht ich hatte? Gar keine! Ich ergriff es und lief damit davon!«
»Warum denn, wenn Sie keine Absicht dabei hatten?«
In Mitja wallte der Ärger auf. Er sah den »Knaben« unverwandt an und lächelte finster und zornig. Die Sache war die, daß er sich immer mehr schämte, so offenherzig und mit so viel Gefühl »solchen Menschen« die Geschichte seiner Eifersucht erzählt zu haben.
»Ich spucke auf den Stößel!« entfuhr es ihm plötzlich.
»Aber Sie müssen doch etwas damit gewollt haben.«
»Na, wegen der Hunde nahm ich ihn mit. Es war nämlich dunkel ... Na, so für jeden Fall!«
»Haben Sie auch früher, wenn Sie nachts ausgingen, eine Waffe mitgenommen, weil Sie sich so vor der Dunkelheit fürchten?«
»Ach, zum Teufel! Pfui, meine Herren, mit Ihnen kann man aber auch gar nicht reden!« rief Mitja aufs äußerste gereizt; dann wandte er sich, rot vor Zorn, an den Schreiber und sagte hastig, mit einer Stimme, der man die innere Wut anhörte: »Schreib auf, daß ich den Stößel mitgenommen habe, um hinzulaufen und meinen Vater Fjodor Pawlowitsch ... durch einen Schlag auf den Kopf zu ermorden! Na, sind Sie jetzt zufrieden, meine Herren? Ist Ihnen das Herz nun leichter?« sagte er und schaute Untersuchungsrichter und Staatsanwalt herausfordernd an.
»Wir begreifen sehr wohl, daß Sie diese Aussage soeben in der Erregung über uns und im Ärger über die Fragen abgegeben haben, die wir Ihnen vorlegen und die Sie für kleinlich halten, während sie in Wirklichkeit sehr wesentlich sind«, erwiderte ihm der Staatsanwalt trocken.
»Aber ich bitte Sie, meine Herren! Na also, ich habe den Stößel mitgenommen ... Na, wozu nimmt man in solchen Fällen etwas in die Hand? Ich weiß nicht, wozu. Ich nahm ihn und ging weg. Das ist alles. Schämen Sie sich, meine Herren, passons! 63 Sonst werde ich nicht weitererzählen, das schwöre ich Ihnen!«
Er setzte den Ellenbogen auf den Tisch und stützte den Kopf in die Hand. Er saß im Profil zu ihnen und starrte die Wand an, wobei er sich bemühte, ein widerwärtiges Gefühl zu unterdrücken, das sich in ihm regte. In der Tat hatte er große Lust aufzustehen und zu erklären, daß er kein Wort weiter sagen werde – »und wenn Sie mich aufs Schafott führen«.
»Wissen Sie, meine Herren«, sagte er dann, sich mühsam zusammennehmend, »wissen Sie, ich höre Sie an, und es kommt mir vor, als ob ... Sehen Sie, ich träume manchmal einen bestimmten Traum, einen eigenartigen Traum, den träume ich oft, er wiederholt sich. Ich träume, daß mich jemand verfolgt, jemand, vor dem ich mich sehr fürchte. Er verfolgt mich in der Dunkelheit, bei Nacht; er sucht mich, ich aber verstecke mich irgendwo vor ihm, hinter einer Tür oder hinter einem Schrank, verstecke mich auf unwürdige Weise; die Hauptsache jedoch ist, daß er ganz genau weiß, wo ich mich vor ihm versteckt habe, aber absichtlich so tut, als ob er es nicht wüßte, um mich länger zu quälen, um sich an meiner Angst zu weiden ... Sehen Sie, so machen Sie es jetzt auch! Ganz ähnlich!«
»Also solche Träume haben Sie?« erkundigte sich der Staatsanwalt.
»Ja, solche Träume habe ich ... Aber wollen Sie nicht auch das festhalten?« fragte Mitja mit einem schiefen Lächeln.
»Nein, festhalten wollen wir es nicht; aber es ist doch interessant, daß Sie so etwas träumen.«
»Jetzt ist es kein Traum mehr! Es ist die Realität, meine Herren, die Realität des wirklichen Lebens! Ich bin der Wolf, und Sie sind die Jäger. Na, und da hetzen Sie eben den Wolf.«
»Dieser Vergleich ist zu Unrecht gewählt ...«, wandte Nikolai Parfjonowitsch in überaus sanftem Ton ein.
»Nein, nicht zu Unrecht, meine Herren, nicht zu Unrecht!« empörte sich Mitja wieder, doch hatte er sich durch den plötzlichen Zornesausbruch offenbar das Herz erleichtert, so daß er mit jedem Wort milder wurde. »Einem angeklagten Verbrecher, den Sie mit Ihren Fragen foltern, mögen Sie mißtrauen. Aber einem Menschen von edelster Gesinnung, das spreche ich kühn aus, meine Herren, seinen
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