Die Brueder Karamasow
verpfändet.«
»Sie waren von einer Fahrt zurückgekehrt? Sie hatten die Stadt verlassen?«
»Jawohl, meine Herren. Ich war vierzig Werst weit weggefahren, haben Sie das nicht gewußt?«
Der Staatsanwalt und Nikolai Parfjonowitsch wechselten einen Blick.
»Und überhaupt, wie wäre es, wenn Sie Ihren Bericht mit einer systematischen Schilderung alles dessen beginnen würden, was Sie gestern vom frühen Morgen an getan haben? Gestatten Sie zum Beispiel die Frage: Warum haben Sie sich aus der Stadt entfernt, und zu welchem Zeitpunkt sind Sie weggefahren und wiedergekommen? Und dergleichen Tatsachen mehr ...«
»So hätten Sie gleich von Anfang an fragen sollen!« erwiderte Mitja laut lachend. »Und wenn es Ihnen recht ist, möchte ich nicht mit gestern beginnen, sondern mit vorgestern, mit vorgestern früh – dann werden Sie verstehen, wohin und wie und warum ich gegangen und gefahren bin ... Ich ging also vorgestern vormittag zu dem hier ansässigen Kaufmann Samsonow, meine Herren, um mir von ihm gegen vollständige Sicherheit dreitausend Rubel zu borgen. Das war plötzlich dringend geworden, meine Herren, das war dringend ...«
»Gestatten Sie mir eine Zwischenfrage«, unterbrach ihn der Staatsanwalt höflich. »Warum brauchten Sie so plötzlich Geld? Und warum gerade diese Summe, das heißt dreitausend Rubel?«
»Ach, meine Herren, Sie sollten doch nicht nach unwesentlichen Nebendingen fragen: wie und wann und warum, und warum gerade so viel Geld und nicht so viel, und dieser ganze Krimskrams! ... Auf die Art kann man ja drei Bände füllen, und dann ist immer noch ein Anhang nötig.«
Alles dies sagte Mitja mit der gutmütigen, aber ungeduldigen Vertraulichkeit eines Menschen, der die ganze Wahrheit zu sagen wünscht und nur die besten Absichten hegt.
»Meine Herren!« fuhr er fort, als würde er sich auf einmal eines Mißgriffs bewußt. »Nehmen Sie mir mein ablehnendes Verhalten nicht übel, ich bitte nochmals darum! Seien Sie noch einmal versichert, daß ich den größten Respekt empfinde und die gegenwärtige Sachlage vollständig begreife. Halten Sie mich nicht für betrunken! Ich bin jetzt bereits wieder nüchtern. Selbst wenn ich betrunken wäre, würde das nichts schaden. Von mir gilt das Verschen:
Nüchtern nur von schwachem Grips
machte klüger ihn ein Schwips ...
Haha! Übrigens sehe ich ein, meine Herren, daß es sich vorläufig für mich nicht schickt, Witze vor Ihnen zu machen ... Vorläufig, das heißt, ehe wir uns nicht verständigt haben. Erlauben Sie, daß auch ich meine persönliche Würde wahre. Ich verstehe jetzt den Unterschied zwischen uns: Ich sitze vor Ihnen als Verbrecher und bin Ihnen also nicht im entferntesten gleichgestellt; Sie aber sind beauftragt zu prüfen, ob ich schuldig bin. Sie werden mich für das, was ich dem alten Grigori angetan habe, schon nicht zu sanft anfassen – man darf schließlich nicht ungestraft alten Leuten ein Loch in den Kopf schlagen! Dafür werden Sie mich wohl einsperren, ein halbes Jahr, na, oder auch ein ganzes, ich weiß nicht, wie das Strafmaß bei Ihnen gehandhabt wird, doch wohl ohne Aberkennung der Standesrechte, Herr Staatsanwalt? Also wie gesagt, meine Herren, ich verstehe diesen Unterschied ... Aber Sie werden doch selbst zugeben müssen, daß Sie den Herrgott persönlich mit solchen Fragen konfus machen könnten: Wo bist du gegangen, wie bist du gegangen, wann bist du gegangen, wohin bist du gegangen? Ich gerate ja in Verwirrung, wenn Sie so fragen; Sie aber schreiben das alles Wort für Wort auf, und was kommt dann dabei heraus? Gar nichts kommt dabei heraus! Na und nun zu guter Letzt, wo ich einmal angefangen habe zu schwatzen, will ich mich auch ganz aussprechen, und Sie, meine Herren, wollen mir das als Männer von höchster Bildung und edelster Gesinnung freundlichst verzeihen! Ich möchte nämlich mit einer Bitte schließen: Gewöhnen Sie sich doch dieses schlaue Verfahren beim Verhör ab, meine Herren! Die übliche Vorschrift lautet ja wohl: Beginne mit etwas Geringfügigem, frag zum Beispiel, wie er aufgestanden sei, was er gegessen habe, wie er ausgespuckt habe, wohin er ausgespuckt habe ... Und wenn du so die Aufmerksamkeit des Verbrechers eingeschläfert hast, dann überrumple ihn plötzlich mit der verblüffenden Frage: Wen hast du ermordet, wen hast du beraubt? Haha! Das ist Ihr schlaues Verfahren, das ist so Vorschrift bei Ihnen, darin besteht Ihre ganze List! Mit solchen Listen schläfern Sie wohl Bauern ein,
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