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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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fortfahren?«
    Mitja bat um die Erlaubnis, sich einen Augenblick erholen zu dürfen; diese wurde ihm in höflicher Form erteilt. Nachdem er sich erholt hatte, fuhr er fort. Aber es fiel ihm augenscheinlich schwer. Er quälte sich, fühlte sich beleidigt und seelisch erschüttert. Außerdem begann ihn der Staatsanwalt jetzt wie absichtlich alle Augenblicke zu reizen, indem er bei »Kleinigkeiten« verweilte. Kaum hatte Mitja geschildert, wie er, auf dem Zaun sitzend, mit dem Stößel auf Grigoris Kopf geschlagen hatte und dann zu ihm hinabgesprungen war, unterbrach ihn der Staatsanwalt und bat ihn, eingehender zu beschreiben, wie er auf dem Zaun gesessen habe.
    Mitja war erstaunt. »Na, ich saß eben so, das eine Bein hier, das andere da ...«
    »Und der Stößel?«
    »Den hatte ich in der Hand.«
    »Nicht in der Tasche? Haben Sie das genau im Gedächtnis? Und dann haben Sie mit dem Arm weit ausgeholt?«
    »Ich werde wohl weit ausgeholt haben. Aber wozu wollen Sie das wissen?«
    »Wenn Sie sich einmal genauso auf den Stuhl setzen möchten, wie Sie damals auf dem Zaun gesessen haben, und uns anschaulich vormachen möchten, wie und wohin Sie ausgeholt haben, nach welcher Seite?«
    »Machen Sie sich etwa wieder über mich lustig?« fragte Mitja und sah den Frager hochmütig an.
    Da dieser jedoch mit keiner Wimper zuckte, drehte sich Mitja heftig um, setzte sich rittlings auf den Stuhl und holte mit dem Arm aus.
    »Sehen Sie, so habe ich zugeschlagen! So habe ich ihn getroffen! Was wollen Sie nun noch?«
    »Ich danke Ihnen. Würden Sie jetzt die Freundlichkeit haben, Uns zu erklären, warum Sie eigentlich hinabgesprungen sind, mit welcher Absicht und was Sie dabei eigentlich im Sinne hatten?«
    »Na, zum Teufel ... Ich bin zu dem hinuntergesprungen, den ich niedergeschlagen hatte ... Ich weiß nicht, warum!« »Obwohl Sie so erregt und auf der Flucht waren?«
    »Ja, obwohl ich so erregt und auf der Flucht war.«
    »Wollten Sie ihm helfen?«
    »Was war da zu helfen? Ja, vielleicht wollte ich ihm auch helfen. Ich erinnere mich nicht.«
    »Das heißt, Sie befanden sich in einer Art Bewußtlosigkeit?«
    »O nein, durchaus nicht, ich erinnere mich an alles. An die geringste Kleinigkeit. Ich bin hinuntergesprungen, um ihn mir anzusehen, und habe ihm mit dem Taschentuch das Blut abgewischt.«
    »Wir haben Ihr Taschentuch gesehen. Hofften Sie, den zu Boden Geschlagenen wieder ins Leben zurückzurufen?«
    »Ich weiß nicht, ob ich das hoffte. Ich wollte mich einfach davon überzeugen, ob er lebte oder nicht.«
    »Ah, also davon wollten Sie sich überzeugen? Nun, und?«
    »Ich bin kein Arzt, ich konnte mir nicht klarwerden. Ich lief davon und glaubte, ich hätte ihn totgeschlagen – dabei ist er ja wieder zu sich gekommen.«
    »Sehr schön«, schloß der Staatsanwalt. »Ich danke Ihnen. Weiter wollte ich nichts wissen. Haben Sie nun die Güte fortzufahren!«
    Leider hatte Mitja, obgleich er sich auch daran erinnerte, keine Lust zu erzählen, daß er aus Mitleid hinuntergesprungen war. Der Staatsanwalt jedoch zog aus der Darstellung nur den Schluß, daß dieser Mensch »in so einem Augenblick und in solcher Erregung« nur hinabgesprungen sei, um sich davon zu überzeugen, ob der einzige Zeuge seines Verbrechens noch am Leben war oder nicht. Wie groß mußte also die geistige Kraft, die Entschlossenheit, die Kaltblütigkeit und Kombinationsfähigkeit dieses Menschen sogar in einem solchen Augenblick gewesen sein ... und so weiter und so fort.
    Der Staatsanwalt war sehr zufrieden; er sagte sich: Ich habe einen nervösen Menschen durch Fragen nach Kleinigkeiten gereizt, und er hat sich verplappert.
    Mitja fuhr unter Qualen fort zu erzählen. Doch er wurde gleich wieder unterbrochen, und zwar jetzt von Nikolai Parfjonowitsch:
    »Wie konnten Sie zu dem Dienstmädchen Fedossja Markowna laufen, wo Sie doch blutige Hände und, wie sich später herausstellte, auch ein blutiges Gesicht hatten?«
    »Ich hatte damals überhaupt nicht bemerkt, daß ich blutig war«, antwortete Mitja.
    »Das hat etwas für sich, dergleichen kommt oft vor«, bemerkte der Staatsanwalt, wobei er mit Nikolai Parfjonowitsch einen Blick wechselte.
    »Ich hatte es nicht bemerkt, das war eine sehr richtige Äußerung von Ihnen, Herr Staatsanwalt«, stimmte ihm plötzlich Mitja zu. Und dann folgte die Geschichte von Mitjas plötzlichem Entschluß, »beiseite zu treten« und »die Glücklichen vorbeizulassen«. Allerdings konnte er sich jetzt nicht mehr überwinden, sein

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