Die Brueder Karamasow
erinnerte abermals daran, daß der Verhörte natürlich die Antwort auf die Fragen verweigern könne, wenn er meine, daß das für ihn vorteilhafter sei, und so weiter, doch in Anbetracht des Schadens, den der Verdächtigte sich selbst durch sein Schweigen zuziehen könne, und besonders bei Fragen von solcher Wichtigkeit, die ...
»Und so weiter, meine Herren, und so weiter. Genug! Ich habe diese erbauliche Predigt schon einmal gehört!« unterbrach ihn Mitja wieder. »Ich verstehe selbst, von welcher Wichtigkeit diese Sache ist, daß dies der Kardinalpunkt ist. Trotzdem sage ich es nicht.«
»Wir selbst haben ja nichts davon! Es ist schließlich nicht unsere Angelegenheit, sondern Ihre; Sie werden sich selber schaden«, bemerkte Nikolai Parfjonowitsch nervös.
»Sehen Sie, meine Herren, Scherz beiseite«, sagte Mitja, wobei er beide fest ansah. »Ich habe von Anfang an geahnt, daß wir an diesem Punkt mit den Stirnen zusammenstoßen werden. Aber am Anfang, als ich vorhin mit meinen Aussagen begann, lag das alles noch ganz verschwommen wie in einem fernen Nebel, und ich war sogar so naiv, Ihnen den Vorschlag gegenseitigen Vertrauens zu machen. Jetzt sehe ich selbst, daß dieses Vertrauen ein Ding der Unmöglichkeit war, da wir ja einmal an diesen verdammten Zaun kommen mußten! Es geht nicht, und damit basta! Übrigens mache ich Ihnen gar keinen Vorwurf; es ist auch Ihnen unmöglich, mir aufs Wort zu glauben, das sehe ich ein!«
Er versank in düsteres Schweigen.
»Aber könnten Sie nicht, ohne Ihrem Entschluß, über diesen hochwichtigen Punkt zu schweigen, irgendwie untreu zu werden, könnten Sie uns nicht wenigstens eine kleine Andeutung machen, welche starken Beweggründe Sie veranlassen, an einer für Sie so gefährlichen Stelle Ihrer Aussage zu schweigen?«
Mitja lächelte trüb und melancholisch.
»Ich bin viel gutmütiger, als Sie denken, meine Herren! Ich werde Ihnen den Grund meiner Weigerung mitteilen und Ihnen die gewünschte Andeutung machen, obgleich Sie das nicht wert sind. Ich schweige, meine Herren, weil hier, in der Antwort auf die Frage, wo ich dieses Geld herhatte, für mich eine solche Schmach liegt, daß sich mit ihr nicht einmal die Ermordung und Beraubung meines Vaters, wenn ich ihn ermordet und beraubt hätte, vergleichen ließe. Das ist der Grund, weswegen ich nicht reden kann. Aus Scham wegen der Schmach kann ich es nicht. Na, meine Herren? Wollen Sie das etwa auch festhalten?«
»Ja, das wollen wir festhalten«, sagte Nikolai Parfjonowitsch sanft.
»Das dürften Sie eigentlich nicht festhalten, das von der Schmach. Das habe ich Ihnen nur aus Gutmütigkeit mitgeteilt, ich hätte es auch verschweigen können. Ich habe Ihnen damit sozusagen ein Geschenk gemacht, aber Sie behandeln das gleich amtlich. Na, schreiben Sie es auf, schreiben Sie auf, was Sie wollen!« schloß er verächtlich. »Ich fürchte Sie nicht und bin Ihnen gegenüber viel zu stolz!«
»Wollen Sie uns nicht sagen, von welcher Art diese Schmach ist?« begann Nikolai Parfjonowitsch wieder.
Der Staatsanwalt runzelte heftig die Stirn.
»Nein, nein, c'est fini 64 , geben Sie sich keine Mühe! Und ich möchte mich auch nicht beschmutzen. Ich habe mich ohnehin schon an Ihnen beschmutzt, Sie sind es nicht wert, Sie nicht und niemand ... Genug, meine Herren, ich breche das Thema ab.«
Er sagte das in sehr entschiedenem Ton. Nikolai Parfjonowitsch setzte ihm nicht weiter zu, doch aus Ippolit Kirillowitschs Blicken merkte er sofort, daß dieser noch auf einen späteren Zeitpunkt hoffte.
»Können Sie uns nicht wenigstens angeben, welche Summe Sie in der Hand hatten, als Sie zu Herrn Perchotin kamen? Ich meine, wieviel Rubel?«
»Das kann ich nicht angeben.«
»Herrn Perchotin gegenüber haben Sie ja wohl von dreitausend Rubeln gesprochen, die Sie von Frau Chochlakowa erhalten hätten?«
»Vielleicht habe ich das getan. Hören Sie auf, meine Herren, ich sage nicht, wieviel.«
»Haben Sie dann die Güte, uns zu schildern, wie Sie hierhergefahren sind, was Sie nach Ihrer Ankunft hier getan haben?«
»Ach, fragen Sie danach doch die Leute von hier! Aber meinetwegen, ich kann es auch erzählen.«
Er erzählte; wir werden seinen Bericht jedoch nicht wiedergeben. Er erzählte trocken und flüchtig. Von den Wonnen seiner Liebe sagte er gar nichts. Er erwähnte allerdings, wie er seinen Entschluß, sich zu erschießen, »in Anbetracht neuer Tatsachen« aufgegeben habe; er berichtete das, ohne seine Motive anzugeben oder auf
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