Die Brueder Karamasow
notwendig ... Haben Sie die Güte, sich einstweilen hier hinzusetzen. Sie können ja die Bettdecke nehmen und sich darin einhüllen. Ich werde dies alles zunächst mitnehmen.«
Alle Gegenstände wurden den Zeugen gezeigt, und es wurde ein Protokoll über die Visitation aufgenommen. Schließlich ging Nikolai Parfjonowitsch hinaus; die Kleider wurden ihm nachgetragen. Ippolit Kirillowitsch ging ebenfalls hinaus. Bei Mitja blieben nur die Bauern zurück; sie standen schweigend da, ohne die Augen von ihm zu lassen.
Mitja hüllte sich in die Bettdecke, er fror. Seine nackten Beine ragten heraus, er konnte die Decke beim besten Willen nicht so um sich schlagen, daß sie bedeckt wurden. Nikolai Parfjonowitsch blieb lange fort. ›Eine wahre Folter, dieses lange Warten, er behandelt mich wie einen Hund!‹ dachte Mitja zähneknirschend. ›Dieser Jammerkerl von Staatsanwalt ist auch weggegangen, sicher aus Verachtung; es wird ihm widerwärtig geworden sein, einen nackten Menschen zu sehen.‹ Mitja vermutete freilich, daß seine Kleider nur irgendwo visitiert würden und daß man sie ihm dann zurückbringen würde. Aber wie groß war seine Entrüstung, als Nikolai Parfjonowitsch auf einmal mit ganz anderen Sachen zurückkehrte, die ihm ein Bauer hinterhertrug.
»So, da haben Sie etwas zum Anziehen!« sagte er ungeniert; er schien mit dem Erfolg der Aktion sehr zufrieden. »Diese Kleider opfert Herr Kalganow für diesen interessanten Fall, dazu auch ein reines Hemd. Er hatte das zum Glück alles in
seinem Koffer mit. Ihr Unterzeug und Ihre Strümpfe können Sie behalten.«
Mitja brauste auf.
»Ich will keine fremden Kleider!« schrie er drohend. »Geben Sie mir meine!«
»Das ist unmöglich!«
»Geben Sie mir meine! Hol' der Teufel Kalganow mitsamt seinen Kleidern!«
Man redete ihm lange zu, und schließlich beruhigte er sich ein wenig. Man erklärte ihm, daß seine blutbefleckten Kleider in die Sammlung der Beweisstücke aufgenommen werden müßten; man sei nicht berechtigt, sie ihm zu belassen – in Anbetracht des möglichen Ausganges, den die Sache nehmen könnte. Mitja begriff einigermaßen. Er verstummte und begann, sich mit finsterer Miene anzukleiden. Er äußerte dabei nur, dieser Anzug sei wertvoller als sein alter, und er habe keine Lust zu »profitieren«; außerdem sei er entsetzlich eng. »Soll ich darin etwa zu Ihrem Vergnügen den Hanswurst spielen?« Man setzte ihm erneut auseinander, daß er wiederum übertreibe. Herr Kalganow sei nur wenig größer als er, höchstens die Beinkleider seien ein bißchen lang. Der Rock war allerdings tatsächlich etwas eng in den Schultern.
»Zum Teufel, er läßt sich ja kaum zuknöpfen«, brummte Mitja. »Tun Sie mir den Gefallen und bestellen Sie Herrn Kalganow von mir, daß nicht etwa ich um seinen Anzug gebeten habe, sondern daß ich wider meinen Willen als Hanswurst kostümiert worden bin.«
»Er sieht das durchaus ein, mit Bedauern ... Das heißt, das Bedauern bezieht sich nicht auf seinen Anzug, sondern mehr auf diese ganze Lage«, erwiderte Nikolai Parfjonowitsch mit eigenartigen Kaubewegungen.
»Ich spucke auf sein Bedauern! Na und, wo soll ich jetzt hingehen? Oder soll ich hier ewig sitzen?«
Man ersuchte ihn, wieder in ›jenes Zimmer‹ zu gehen. Mitja trat hinter dem Vorhang hervor, grau vor Wut und bemüht, niemand anzusehen. In dem fremden Anzug fühlte er sich entehrt, sogar diesen Bauern und Trifon Borissowitsch gegenüber, dessen Gesicht plötzlich aus irgendeinem Grund in der Tür auftauchte und wieder verschwand. ›Er hat mich in meinem neuen Kostüm beglotzen wollen!‹ dachte Mitja. Er setzte sich auf seinen früheren Stuhl; dabei hatte er das Gefühl, als bedrücke ihn ein sinnloser Traum: Er glaubte, seinen Verstand verloren zu haben.
»Na, was haben Sie nun vor? Wollen Sie mich auspeitschen lassen, wie? Weiter bleibt ja wohl nichts mehr«, sagte er zähneknirschend, zum Staatsanwalt gewandt.
An Nikolai Parfjonowitsch mochte er sich gar nicht mehr wenden, so als hielte er ihn nicht mehr für wert, daß er mit ihm sprach. ›Pedantisch genau hat er meine Strümpfe betrachtet, er hat sie sogar umdrehen lassen, der Schuft! Das hat er absichtlich getan, damit alle sehen, was ich für schmutzige Wäsche trage!‹
»So, und jetzt werden wir zur Vernehmung der Zeugen übergehen müssen«, sagte Nikolai Parfjonowitsch gewissermaßen als Antwort auf Dmitri Fjodorowitschs Frage.
»Ja«, erwiderte der Staatsanwalt nachdenklich.
»Wir haben
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