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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Umstände!‹ ging es Mitja durch den Kopf. ›Sie beachten nicht einmal die notwendigen Höflichkeitsregeln.‹
    »Ich frage Sie zum zweiten Male, ob ich auch das Hemd ausziehen soll«, sagte er noch schärfer und gereizter.
    »Seien Sie unbesorgt, wir werden es Ihnen schon sagen!« antwortete Nikolai Parfjonowitsch in dienstlichem Ton; zumindest schien es Mitja so.
    Unterdessen fand zwischen dem Untersuchungsrichter und dem Staatsanwalt halblaut eine eifrige Beratung statt. Am Rock, besonders am linken Schoß, hinten, zeigten sich gewaltige Blutflecke, die getrocknet, verhärtet und noch nicht wieder biegsam geworden waren. Dasselbe traf für die Hose zu, Nikolai Parfjonowitsch fuhr außerdem eigenhändig in Gegenwart der Zeugen mit den Fingern über den Kragen und die Aufschläge des Rockes sowie über alle Nähte des Rockes und der Hose; er schien etwas zu suchen, höchstwahrscheinlich Geld. Was das Schlimmste war: sie machten vor Mitja kein Hehl aus dem Verdacht, daß er fähig gewesen wäre, Geld in seine Kleider einzunähen! »Die behandeln mich ja geradezu wie einen Dieb und nicht wie einen Offizier!« murmelte er vor sich hin. Sie teilten sich gegenseitig ihre Gedanken vor seinen Ohren mit seltsamer Offenheit mit. So lenkte zum Beispiel der Protokollführer, der sich ebenfalls geschäftig machte und zuhörte, Nikolai Parfjonowitschs Aufmerksamkeit auf die Mütze, die dann ebenfalls befühlt wurde. »Denken Sie an den Schreiber Gridenko!« bemerkte der Protokollführer. »Der war im Sommer zur Kasse gefahren, um das Gehalt für die ganze Kanzlei in Empfang zu nehmen, und als er zurückkam, erklärte er, er hätte es in betrunkenem Zustand verloren – und wo fand man es? In der Mütze! Die Hundertrubelscheine waren zu kleinen Röhrchen zusammengerollt und in den Mützenrand eingenäht.« An die Geschichte mit Gridenko erinnerten sich auch der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt sehr genau, und deshalb legten sie Mitjas Mütze beiseite und beschlossen, sie später gründlich zu visitieren, ebenso den ganzen Anzug.
    »Erlauben Sie«, rief Nikolai Parfjonowitsch auf einmal, als er die blutbefleckte Manschette an Mitjas rechtem Hemdsärmel bemerkte. »Erlauben Sie, was ist denn das? Ist das Blut?«
    »Ja, Blut«, antwortete Mitja kurz.
    »Wie kommt denn das? Und warum ist die Manschette nach innen umgeschlagen?«
    Mitja erzählte, daß die Manschette blutig geworden war, als er sich mit Grigori abgegeben hatte, und daß er sie schon bei Perchotin beim Waschen nach innen umgeschlagen hatte.
    »Ihr Hemd müssen wir ebenfalls nehmen. Das ist sehr wichtig, als sachliches Beweisstück.« Mitja errötete und wurde wütend.
    »Soll ich etwa nackt bleiben?« rief er.
    »Seien Sie unbesorgt, wir werden das schon irgendwie in Ordnung bringen. Zunächst aber haben Sie die Güte, auch die Strümpfe auszuziehen.«
    »Machen, Sie Witze? Ist das wirklich notwendig?« rief Mitja mit zornfunkelnden Augen.
    »Wir sind nicht zu Witzen aufgelegt!« erwiderte Nikolai Parfjonowitsch streng.
    »Na gut, wenn es nötig ist, dann...«, murmelte Mitja, setzte sich aufs Bett und begann sich die Strümpfe auszuziehen. Er war in unerträglicher Verlegenheit. Alle waren angekleidet, nur er nicht, und seltsam: Jetzt, wo er entkleidet war, fühlte er sich gewissermaßen selbst vor allen schuldig und gestand sich vor allem beinahe selbst ein, daß er auf einmal wirklich geringer war als die anderen und daß diese jetzt das volle Recht hatten, ihn zu verachten. ›Wenn alle nackt sind, braucht man sich nicht zu schämen, doch wenn man als einziger nackt ist und alle einen anstarren, ist das eine Schande!‹ ging es ihm immer wieder durch den Kopf. ›Es ist so wie im Traum; ich habe im Traum manchmal solche Schande durchgemacht‹ Aber jetzt die Strümpfe auszuziehen, das war ihm geradezu peinlich. Sie waren sehr unsauber, und sein Unterzeug ebenso, und nun sahen das alle. Die Hauptsache aber war, er mochte selbst seine Füße nicht leiden. Er hatte sein Leben lang seine beiden großen Zehen unförmig gefunden, besonders den plumpen, platten, nach unten gekrümmten Nagel am rechten Fuß – und nun sahen das alle! Vor unerträglicher Scham wurde er noch gröber als vorher und kehrte dies absichtlich heraus. Er riß sich selbst das Hemd ab.
    »Wollen Sie nicht noch wo nachsuchen, wenn Sie sich nicht schämen?«
    »Nein, vorläufig ist es nicht erforderlich.«
    »Soll ich denn nackt bleiben?« fügte er wütend hinzu.
    »Ja, das ist vorläufig

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