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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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letzten Worten den Ausdruck größter amtlicher Würde an, dabei huschte Mitja auf einmal ein seltsamer Gedanke durch den Kopf: Dieser »Knabe« würde ihn im nächsten Augenblick unter den Arm fassen, ihn in eine andere Ecke führen und dort mit ihm das Gespräch von neulich fortsetzen, über Mädchen. Aber was für nebensächliche, abwegige Gedanken gehen manchmal sogar einem Verbrecher, der zum Richtplatz geführt wird, durch den Kopf!
    »Meine Herren, Sie sind ja gut und human ... Kann ich sie noch einmal sehen und ihr zum letztenmal Lebwohl sagen?« fragte Mitja.
    »Gewiß, doch in Anbetracht ... Kurz, es geht jetzt nur in unserer Gegenwart ...«
    »Meinetwegen, bleiben Sie da!«
    Gruschenka wurde hereingeführt, aber der Abschied gestaltete sich kurz und wortkarg und stellte Nikolai Parfjonowitsch ganz und gar nicht zufrieden. Gruschenka verbeugte sich tief vor Mitja.
    »Ich habe dir gesagt, daß ich dir gehöre, und so wird es bleiben. Ich werde mein Leben lang mit dir gehen, wohin man dich auch bringen mag. Lebe wohl, du armer Mensch, der sich unschuldig zugrunde gerichtet hat!«
    Ihre Lippen zitterten, Tränen traten ihr in die Augen.
    »Lebe wohl, Gruscha! Verzeih mir, daß ich durch meine Liebe auch dich zugrunde gerichtet habe!«
    Mitja wollte noch etwas sagen, brach jedoch plötzlich von selbst ab und ging hinaus. Um ihn herum erschienen sogleich Männer, die ihn nicht mehr aus den Augen ließen. Unten vor der Haustür, wo er am vorigen Tag lärmend auf Andrejs Troika vorgefahren war, standen schon zwei Bauernwagen bereit. Mawriki Mawrikijewitsch, ein untersetzter, stämmiger Mensch mit aufgedunsenem Gesicht, durch irgendeine plötzlich eingetretene Störung gereizt, ärgerte sich und schrie. In recht barschem Ton forderte er Mitja auf, einzusteigen. ›Früher, wenn ich ihn im Restaurant mit Getränken freihielt, machte dieser Mensch ein anderes Gesicht‹, dachte Mitja, während er einstieg. Auch Trifon Borissowitsch kam die Stufen vor der Haustür herunter. Am Tor drängte sich allerlei Volk, Bauern, Frauen, Fuhrleute; alle starrten Mitja an.
    »Lebt wohl, liebe Leute!« rief ihnen Mitja vom Wagen aus zu.
    »Verzeih auch du uns!« ließen sich zwei oder drei Stimmen vernehmen.
    »Leb auch du wohl, Trifon Borissowitsch!«
    Doch Trifon Borissowitsch drehte sich nicht einmal um, vielleicht hatte er zu viel zu tun. Er schrie ebenfalls etwas und war in geschäftiger Eile. An dem zweiten Wagen, auf dem zwei Dorfpolizisten Mawriki Mawrikijewitsch begleiten sollten, war nämlich noch nicht alles in Ordnung. Der Bauer, der für die zweite Troika als Kutscher beordert war, zog erst langsam seinen Kittel an und schimpfte heftig, er sei nicht an der Reihe zu fahren, sondern Akim. Aber Akim war nicht da; jemand war gelaufen, ihn zu holen, und der Bauer sträubte sich hartnäckig und bat, man möchte noch ein bißchen warten.
    »Das Volk bei uns ist zu unverschämt, Mawriki Mawrikijewitsch!« rief Trifon Borissowitsch. »Akim hat dir vorgestern einen Viertelrubel gegeben, den hast du vertrunken, und nun machst du Geschrei! Ich staune nur über Ihre Geduld, Mawriki Mawrikijewitsch, weiter sage ich nichts!«
    »Wozu brauchen wir denn überhaupt eine zweite Troika?« mischte sich Mitja ein. »Laß uns doch mit einer fahren, Mawriki Mawrikijewitsch. Sei unbesorgt, ich werde mich nicht widersetzen und dir nicht weglaufen. Wozu brauchst du einen ganzen Begleitschutz?«
    »Lernen Sie gefälligst, wie Sie mit mir zu reden haben, mein Herr, wenn Sie das noch nicht wissen sollten. Ich bin nicht Ihr Du! Erlauben Sie sich nicht, mich zu duzen. Und auch Ihre Ratschläge können Sie für sich behalten ...«, schnitt ihm Mawriki Mawrikijewitsch wütend das Wort ab, als ob er sich freute, seinen Ärger an ihm auslassen zu können.
    Mitja schwieg. Er war ganz rot geworden. Einen Augenblick darauf wurde ihm auf einmal sehr kalt. Der Regen hatte aufgehört, aber der trübe Himmel war ganz mit Wolken bedeckt, und ein scharfer Wind blies Mitja ins Gesicht. ›Ich habe wohl einen Fieberanfall‹, dachte er und schüttelte die Schultern. Endlich stieg auch Mawriki Mawrikijewitsch ein. Er setzte sich schwerfällig und breit hin und schien gar nicht zu beachten, daß er Mitja durch seinen Körper stark bedrängte. Er war schlechter Laune, denn der ihm erteilte Auftrag mißfiel ihm sehr.
    »Lebe wohl, Trifon Borissowitsch!« rief Mitja noch einmal und fühlte, daß er es jetzt nicht aus Gutmütigkeit getan hatte, sondern unwillkürlich, aus

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