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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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Bosheit.
    Doch Trifon Borissowitsch stand stolz da, beide Hände auf dem Rücken, und starrte Mitja mitten ins Gesicht. Er machte eine strenge, ärgerliche Miene und antwortete nicht.
    »Leben Sie wohl, Dmitri Fjodorowitsch, leben Sie wohl!« erscholl plötzlich die Stimme Kalganows, der von irgendwo hervorsprang.
    Er lief zum Wagen und reichte Mitja die Hand; er hatte keine Mütze auf dem Kopf. Mitja konnte noch seine Hand ergreifen und sie ihm drücken.
    »Lebe wohl, du lieber Mensch! Ich werde deine Hochherzigkeit nicht vergessen!«, rief er bewegt. Doch der Wagen fuhr an, und ihre Hände wurden auseinandergerissen. Das Glöckchen des Mittelpferdes klingelte – Mitja wurde abtransportiert.
    Kalganow aber lief in den Hausflur, setzte sich in eine Ecke, ließ den Kopf sinken, bedeckte das Gesicht mit den Händen und weinte los. Lange saß er so da und weinte, als sei er noch ein kleiner Junge und kein Mann von zwanzig Jahren. Er war von Mitjas Schuld fast vollkommen überzeugt. ›Aber was sind das für Menschen, was soll man da von der Menschheit denken!‹ fragte er sich zutiefst betrübt und beinahe verzweifelt. Er mochte in diesem Augenblick überhaupt nicht mehr auf dieser Welt leben. »Lohnt es sich denn, lohnt es sich?« rief der junge Mann in seinem Kummer.

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Vierter Teil
     

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Zehntes Buch
     
    Die Jungen
     

1.
Kolja Krassotkin
     
    Es war Anfang November. Wir hatten elf Grad Kälte und damit auch Glatteis. Auf die gefrorene Erde war in der Nacht etwas trockener Schnee gefallen, und der trockene, scharfe Wind hob ihn auf und fegte ihn durch die langweiligen Straßen unseres Städtchens und besonders über den Marktplatz. Der Morgen war trüb, aber der Schneefall hatte aufgehört. Nicht weit vom Marktplatz, nahe bei Plotnikows Laden, stand das kleine, außen wie innen sehr saubere Häuschen der Beamtenwitwe Krassotkina. Der Gouvernementssekretär Krassotkin selbst war schon vor langer Zeit gestorben, vor fast vierzehn Jahren; seine Witwe, eine zweiunddreißigjährige, immer noch recht hübsche Frau, lebte in dem sauberen Häuschen von ihren Renten. Sie lebte ehrbar und zurückgezogen und besaß einen sanften, ziemlich heiteren Charakter. Im Alter von achtzehn Jahren hatte sie ihren Mann verloren, nachdem sie mit ihm nur ein Jahr lang zusammengelebt und ihm eben erst einen Sohn geboren hatte. Seitdem widmete sie sich ganz der Erziehung ihres Sohnes Kolja, ihres größten Schatzes, und die ganzen vierzehn Jahre hatte sie in ihrer maßlosen Liebe zu ihm unvergleichlich mehr Leid als Freude erlebt, da sie fast täglich vor Angst zitterte, er könnte sich erkälten, krank werden, Dummheiten machen, auf einen Stuhl steigen und herunterfallen, und so weiter und so fort. Als Kolja die Vorschule und dann unser Progymnasium besuchte, begann die Mutter mit ihm zusammen eifrig zu lernen, um ihm bei seinen Aufgaben helfen und sie ihm abfragen zu können. Sie bemühte sich, mit den Lehrern und ihren Frauen bekannt zu werden, und suchte sogar durch Freundlichkeit und Schmeicheleien die Gunst von Koljas Schulkameraden zu gewinnen, damit ihr Kolja nicht verspottet und nicht geschlagen wurde. Sie brachte es dahin, daß sich die Jungen ihretwegen wirklich über ihn lustig machten und ihn neckten, er sei ein Muttersöhnchen. Doch Kolja verstand sich zu wehren. Er war ein mutiger Junge, »furchtbar stark«, wie es von ihm in der Klasse hieß und bald bestätigt wurde; er war gewandt, frech, dreist und unternehmungslustig und besaß einen energischen Charakter. Er lernte gut, und es hieß sogar, daß er im Rechnen und in Weltgeschichte mehr leistete als der Lehrer Dardanelow selbst. Obgleich er auf alle herabsah und das Näschen hoch trug, war er doch ein guter Kamerad und nicht überheblich. Den Respekt seiner Mitschüler nahm er als etwas Gebührendes hin, verkehrte mit ihnen jedoch freundschaftlich. Die Hauptsache war, er wußte maßzuhalten, verstand sich zur rechten Zeit zu beherrschen und überschritt in seinen Beziehungen zu den Lehrern niemals jene äußerste, gerade noch erkennbare Grenze, hinter der das Benehmen ungehörig und ungesetzlich wird und nicht geduldet werden kann.
    Dennoch war er ganz und gar nicht abgeneigt, bei jeder geeigneten Gelegenheit Streiche zu verüben, und zwar nicht bloß dabei mitzutun, sondern selbst etwas zu erfinden und auszuklügeln, etwas besonders »Feines«, Großartiges einzufädeln, womit er paradieren konnte. Vor allem war er sehr ehrgeizig. Er hatte es sogar verstanden,

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