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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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das Protokoll unterschrieben war, wandte sich Nikolai Parfjonowitsch feierlich an den Angeklagten und las ihm eine »Verfügung« vor, welche besagte, daß im Jahre soundso, an dem und dem Tag, an dem und dem Ort, der Untersuchungsrichter des und des Distriktgerichts, nachdem er den und den (das heißt Mitja) als der und der Straftaten Beschuldigten (sorgfältige Aufzählung aller Beschuldigungen) verhört habe, in Anbetracht dessen, daß der Beschuldigte, der sich der ihm zur Last gelegten Verbrechen nicht schuldig bekenne, nichts zu seiner Entlastung vorgebracht habe, jedoch durch die Aussagen der Zeugen (Namen der Zeugen) und durch die Umstände (Angabe derselben) seine Schuld klar erwiesen sei, gestützt auf die und die Paragraphen des Strafgesetzbuches und so weiter, verfügt habe: Um dem und dem (Mitja) die Möglichkeit zu nehmen, sich der Untersuchung und dem Gericht zu entziehen, ihn in das und das Gefängnis zu setzen, dieses dem Angeschuldigten zu eröffnen und eine Abschrift dieser Verfügung dem Gehilfen des Staatsanwalts zuzustellen, und so weiter und so fort. Kurz, es wurde Mitja eröffnet, daß er von diesem Augenblick an verhaftet sei und sofort in die Stadt abtransportiert werde, wo er an einem sehr unangenehmen Ort eingesperrt werden solle. Mitja hörte aufmerksam zu, zuckte dann aber nur mit den Achseln.
    »Nun gut, meine Herren, ich mache Ihnen keinen Vorwurf. Ich bin bereit ... Ich sehe ein, daß Ihnen nichts weiter übrigbleibt.«
    Nikolai Parfjonowitsch teilte ihm in sanftem Ton mit, daß ihn der Landkommissar Mawriki Mawrikijewitsch, der gerade zufällig anwesend sei, sogleich wegbringen würde.
    »Halt!«, unterbrach ihn Mitja plötzlich, dann wandte er sich, außerstande, seine Gefühle länger zu beherrschen, an alle Anwesenden und sagte: »Meine Herren, wir sind alle grausam, wir sind alle Unmenschen, wir alle bringen andere Menschen, Mütter und Säuglinge, zum Weinen – aber von allen bin ich das gemeinste Scheusal, dieses Urteil soll schon jetzt gefällt werden! Das sage ich selbst! An jedem Tag meines Lebens habe ich mir an die Brust geschlagen und mir vorgenommen, mich zu bessern, und an jedem Tag habe ich wieder dieselben Schändlichkeiten begangen. Ich sehe jetzt ein, daß für solche Menschen wie mich ein schwerer Schicksalsschlag vonnöten ist! Sie müssen wie mit einer Wurfschlinge gefangen und durch äußere Gewalt geknebelt werden. Niemals, niemals hätte ich mich aus eigener Kraft erhoben! Doch nun ist das Unwetter mit Blitz und Donner über mich niedergegangen. Ich nehme die Qual der Beschuldigung und der öffentlichen Schande auf mich, ich will leiden und durch das Leiden geläutert werden! Vielleicht kann ich doch noch geläutert werden, meine Herren, nicht wahr? Aber hören Sie zum letztenmal: An dem Blut meines Vaters bin ich unschuldig! Ich nehme die Strafe hin, nicht weil ich ihn getötet habe, sondern dafür, daß ich ihn töten wollte und es vielleicht auch wirklich getan hätte ... Trotzdem beabsichtige ich mit Ihnen zu kämpfen und kündige Ihnen das an. Ich werde mit Ihnen kämpfen bis zum letzten Augenblick, und dann mag Gott entscheiden! Leben Sie wohl, meine Herren! Seien Sie mir nicht böse, daß ich Sie beim Verhör angeschrien habe, oh, ich war vorhin noch so dumm! Im nächsten Moment werde ich Gefangener sein, und jetzt reicht Ihnen Dmitri Karamasow zum letztenmal als freier Mensch seine Hand. Indem ich von Ihnen Abschied nehme, nehme ich von den Menschen Abschied!«
    Die Stimme begann ihm zu zittern, und er streckte ihnen wirklich die Hand hin, doch Nikolai Parfjonowitsch, der ihm am nächsten stand, zog plötzlich seine Hände beinahe krampfhaft zurück und versteckte sie. Mitja bemerkte dies sofort und zuckte zusammen; er ließ seine ausgestreckte Hand sofort sinken.
    »Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen«, sagte Nikolai Parfjonowitsch etwas verlegen. »Wir werden sie in der Stadt fortsetzen, und ich meinerseits wünsche Ihnen natürlich allen Erfolg bei Ihrer Rechtfertigung ... Eigentlich bin ich immer geneigt gewesen, Dmitri Fjodorowitsch, Sie sozusagen mehr für einen unglücklichen als für einen schuldbeladenen Menschen zu halten ... Wir alle hier – wenn ich wagen darf, im Namen aller zu sprechen –, wir alle sind bereit anzuerkennen, daß Sie im Grunde ein edeldenkender junger Mensch sind, der sich aber leider durch gewisse Leidenschaften allzusehr hinreißen läßt ...«
    Nikolai Parfjonowitschs kleines Figürchen nahm bei den

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