Die Brueder Karamasow
habe es von ihm selbst unter vier Augen gehört.
»Haben Sie es nur ein einziges Mal von ihm unter vier Augen gehört oder mehrmals?« fragte der Staatsanwalt wieder und erfuhr, daß Gruschenka es mehrmals gehört habe.
Ippolit Kirillowitsch war mit dieser Aussage sehr zufrieden. Bei weiteren Fragen stellte sich heraus, daß Gruschenka auch wußte, woher dieses Geld stammte, nämlich daß Dmitri Fjodorowitsch es Katerina Iwanowna weggenommen hatte.
»Und haben Sie vielleicht wenigstens einmal gehört, daß vor einem Monat nicht dreitausend Rubel ausgegeben worden sind, sondern weniger, und daß Dmitri Fjodorowitsch die andere Hälfte für sich aufbewahrte?«
»Nein, das habe ich nie gehört«, erklärte Gruschenka.
Im Gegenteil stellte sich ferner sogar heraus, daß Mitja im Laufe dieses Monats häufig zu ihr gesagt hatte, er habe kein Geld, nicht eine Kopeke. »Er erwartete immer, von seinem Vater welches zu bekommen«, schloß Gruschenka.
»Aber hat er nicht irgendwann einmal in Ihrer Gegenwart gesagt, und sei es auch nur beiläufig oder in der Erregung«, mischte sich plötzlich Nikolai Parfjonowitsch ein, »daß er einen Anschlag auf das Leben seines Vaters plante?«
»O ja, das hat er gesagt«, erwiderte Gruschenka seufzend.
»Einmal oder mehrmals?«
»Er hat mehrmals davon gesprochen und immer im Zorn.«
»Und haben Sie geglaubt, daß er es auch ausführt?«
»Nein, das habe ich nie geglaubt«, antwortete sie mit fester Stimme. »Ich verließ mich auf seine edle Gesinnung.«
»Meine Herren!« rief Mitja plötzlich. »Erlauben Sie, daß ich in Ihrer Gegenwart zu Agrafena Alexandrowna nur ein Wort sage?«
»Sprechen Sie«, entschied Nikolai Parfjonowitsch.
»Agrafena Alexandrowna!« sagte Mitja und stand von seinem Stuhl auf. »Glaube mir, was ich dir bei Gott sage: Am Blut meines ermordeten Vaters bin ich unschuldig!«
Nachdem er das gesagt hatte, setzte er sich wieder. Gruschenka erhob sich und bekreuzte sich andächtig, zu dem Heiligenbild gewandt.
»Gelobt seist du, mein Herrgott!« sagte sie warm und innig, und ehe sie sich wieder auf ihren Platz setzte, sagte sie noch zu Nikolai Parfjonowitsch: »Glauben Sie, daß es so ist, wie er es jetzt gesagt hat! Ich kenne ihn, er schwatzt vieles zusammen, sei es zum Spaß, sei es aus Trotz. Doch wenn es gegen das Gewissen geht, wird er nie lügen. Dann wird er immer die Wahrheit sagen, das können Sie glauben!«
»Ich danke dir, Agrafena Alexandrowna! Du hast mich wieder innerlich aufgerichtet! » sagte Mitja mit zitternder Stimme.
Auf die Fragen, die das Geld betrafen, erklärte sie, sie wisse nicht, wieviel es war, habe ihn aber gestern mehrmals zu den Leuten sagen hören, er habe dreitausend Rubel mitgebracht. Über die Herkunft des Geldes habe er ihr allein gesagt, er habe es Katerina Iwanowna gestohlen; und sie selbst habe ihm geantwortet, gestohlen habe er es nicht und er müsse das Geld nur gleich morgen zurückgeben. Auf die beharrliche Frage des Staatsanwalts, welches Geld er angeblich Katerina Iwanowna gestohlen habe, das gestrige oder die dreitausend Rubel, die hier vor einem Monat ausgegeben wurden, erklärte sie, er habe von dem letzteren gesprochen, und sie habe es so verstanden.
Endlich wurde Gruschenka entlassen, wobei ihr Nikolai Parfjonowitsch beflissen auseinandersetzte, sie könne jetzt in die Stadt zurückkehren, und wenn er ihr irgendwie behilflich sein könne, zum Beispiel mit einem Fuhrwerk oder mit einem Begleiter, so würde er seinerseits ...
»Ich danke Ihnen verbindlich«, erwiderte Gruschenka mit einer Verbeugung, »aber ich werde mit dem alten Gutsbesitzer zurückkehren, das heißt, ich werde ihn hinbringen. Doch zunächst werde ich, wenn Sie erlauben, unten abwarten, wie Sie hier über Dmitri Fjodorowitsch entscheiden.«
Sie ging hinaus. Mitja war ruhig und schien sogar allen Mut wiedergewonnen zu haben, aber das dauerte nur einen Augenblick. Eine seltsame körperliche Schwäche überkam ihn mehr und mehr, die Augen fielen ihm vor Müdigkeit zu. Endlich war die Vernehmung der Zeugen abgeschlossen, und man schritt zur endgültigen Redaktion des Protokolls. Mitja stand auf und ging in die Ecke am Vorhang, legte sich auf eine große, mit einem Teppich bedeckte Truhe und war im nächsten Moment eingeschlafen. Da hatte er einen seltsamen Traum, der gar nicht zu dem Ort und der Zeit zu passen schien. Es war ihm, als fahre er irgendwo durch die Steppe, in der Gegend, wo er früher beim Militär gedient hatte, und ihn fahre
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