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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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dann mehrmals beharrlich, ob es ihm wirklich so vorgekommen sei, als ob der Angeklagte auf etwas hinwies. Vielleicht habe er sich einfach mit der Faust an die Brust geschlagen?
    »Er schlug gar nicht mit der Faust«, rief Aljoscha. »Er zeigte mit den Fingern, und zwar sehr weit oben ... Wie konnte ich das nur bis jetzt so völlig vergessen!«
    Der Präsident wandte sich an Mitja mit der Frage, was er zu der soeben abgegebenen Aussage zu bemerken habe. Mitja bestätigte, daß alles genauso gewesen sei: Er habe wirklich auf seine fünfzehnhundert Rubel hingewiesen, die er auf der Brust getragen habe, gleich unter dem Hals. Das sei allerdings eine Schmach gewesen. »Eine Schmach, die ich nicht ableugne! Die schmählichste Handlung meines ganzen Lebens!« rief Mitja aus. »Ich hatte die Wahl, es zurückzugeben oder nicht. Ich zog es vor, in ihren Augen ein Dieb zu bleiben, und gab es nicht zurück. Die größte Schmach aber bestand darin, daß ich vorher wußte, ich würde es nicht zurückgeben! Aljoscha hat recht! Ich danke dir, Aljoscha!«
    Damit war Aljoschas Vernehmung beendet. Wichtig war der Umstand, daß sich wenigstens eine Tatsache gefunden hatte, die – wenn auch nur als ganz schwacher Beweis, fast nur als Andeutung eines Beweises – doch immerhin ein wenig bezeugte, daß dieses Säckchen mit den fünfzehnhundert Rubeln darin tatsächlich existiert und daß der Angeklagte bei der Voruntersuchung in Mokroje nicht gelogen hatte. Aljoscha war froh; vor Erregung ganz rot im Gesicht, setzte er sich auf den ihm angewiesenen Platz. Noch lange sagte er sich immer wieder im stillen: ›Daß ich das vergessen hatte! Wie habe ich das nur vergessen können? Und daß es mir so plötzlich erst jetzt eingefallen ist!‹
    Es begann die Vernehmung Katerina Iwanownas. Bei ihrem Erscheinen ging im Saal etwas Ungewöhnliches vor. Die Damen griffen zu ihren Lorgnetten und Operngläsern; die Männer gerieten in Bewegung, und manche standen von ihren Plätzen auf, um besser sehen zu können. Alle versicherten später, Mitja sei, als sie eintrat, auf einmal »bleich wie Leinwand« geworden. Ganz in Schwarz gekleidet, ging sie bescheiden und beinahe schüchtern zu dem ihr angewiesenen Platz. Ihrer Miene war nicht anzusehen, daß sie erregt war; doch in ihrem dunklen, finsteren Blick lag eine feste Entschlossenheit. Es muß vermerkt werden, daß später viele versicherten, sie sei in diesem Augenblick wunderschön gewesen. Sie sprach leise, aber dennoch so deutlich, daß man sie im ganzen Saal verstehen konnte. Sie drückte sich außerordentlich ruhig aus oder bemühte sich wenigstens, ruhig zu sein. Der Präsident stellte seine Fragen vorsichtig und außerordentlich respektvoll, als scheute er sich, »gewisse Saiten« zu berühren. Doch Katerina Iwanowna erklärte gleich auf eine der ersten ihr vorgelegten Fragen selbst mit aller Entschiedenheit, sie sei die verlobte Braut des Angeklagten gewesen, »so lange, bis er selbst mich verlassen hat ...«. Nach den dreitausend Rubeln befragt, die sie Mitja zur Übersendung an ihre Verwandten anvertraut hatte, antwortete sie mit fester Stimme: »Ich habe sie ihm nicht direkt für die Post gegeben. Ich ahnte damals, daß er dringend Geld brauchte ... Ich gab ihm diese dreitausend Rubel, damit er sie, wenn er wollte, etwa innerhalb eines Monats absandte ... Ohne Grund hat er sich später wegen dieses Geldes so gequält.«
    Ich werde nicht alle Fragen und Antworten genau wiedergeben, sondern nur den wesentlichen Sinn ihrer Aussagen.
    »Ich war fest davon überzeugt, daß er immer noch Zeit finden würde, die dreitausend Rubel abzusenden«, fuhr sie auf die ihr vorgelegten Fragen fort, »sobald er von seinem Vater Geld erhalten hätte. Ich war immer von seiner Uneigennützigkeit und Ehrenhaftigkeit überzeugt ... Er war sich dessen sicher, daß er von seinem Vater dreitausend Rubel erhalten würde; er hat mir gegenüber mehrmals davon gesprochen. Ich wußte, daß er mit seinem Vater Streit hatte, und glaubte und glaube auch heute noch, daß er von seinem Vater übervorteilt worden war. Ich erinnere mich nicht an irgendwelche Drohungen gegen seinen Vater. In meiner Gegenwart wenigstens hat er niemals solche Drohungen ausgestoßen. Wäre er damals zu mir gekommen, hätte ich seine Unruhe wegen dieser unseligen dreitausend Rubel sofort beschwichtigt, aber er kam nicht mehr zu mir ... Ich selbst aber ... Ich war in so eine Lage gekommen, daß es mir nicht möglich war, ihn zu mir zu bitten ... Und

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