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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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ich hatte auch gar kein Recht, die Rückzahlung dieser Schuld ungeduldig von ihm zu verlangen!« fügte sie plötzlich hinzu, und ihrer Stimme war eine feste Entschlossenheit anzuhören. »Denn er hat mir selbst einmal eine weit höhere finanzielle Gefälligkeit erwiesen, und ich habe sie angenommen, obwohl ich damals noch nicht absehen konnte, ob ich jemals imstande sein würde, ihm meine Schuld zurückzuzahlen ...«
    Im Tonfall ihrer Stimme schien etwas Herausforderndes zu liegen. In diesem Augenblick ging die Aufgabe, Fragen zu stellen, an Fetjukowitsch über.
    »Das war wohl schon zu Beginn Ihrer Bekanntschaft, noch ehe Sie hierherzogen?« nahm Fetjukowitsch vorsichtig tastend das Wort; er ahnte sofort etwas Günstiges. Ich muß an dieser Stelle eine Zwischenbemerkung einfügen. Obgleich er von Katerina Iwanowna selbst aus Petersburg hergebeten worden war, wußte er dennoch nichts von dem Vorgang mit den fünftausend Rubeln, die Mitja ihr einst gegeben hatte – also auch nichts von der tiefen Verbeugung. Sie hatte es vor ihm geheimgehalten; das war erstaunlich. Man kann mit Sicherheit annehmen, daß sie selbst bis zum letzten Augenblick nicht gewußt hatte, ob sie davon vor Gericht erzählen würde oder nicht.
    Ich werde diese Augenblicke niemals vergessen! Sie erzählte alles, diesen ganzen Vorgang, den Mitja seinem Bruder Aljoscha berichtet hatte, auch von der tiefen Verbeugung, auch von den Ursachen, auch von der Notlage ihres Vaters, auch von ihrem Besuch bei Mitja – doch mit keinem Wort, mit keiner Andeutung erwähnte sie, daß Mitja durch ihre Schwester selbst den Vorschlag gemacht hatte, sie möchten Katerina Iwanowna zu ihm schicken, um das Geld abzuholen. Das verheimlichte sie großmütig, und sie schämte sich nicht, es so darzustellen, als sei sie damals aus eigenem Antrieb zu dem jungen Offizier gegangen, um ihn in der Hoffnung auf Hilfe um Geld zu bitten. Diese Erzählung hatte etwas Erschütterndes. Ein kaltes Zittern überlief mich beim Zuhören; der Saal war totenstill und fing jedes Wort auf. Was man da hörte, war ohne Beispiel. Selbst von einem selbstbewußten und hochmütig-stolzen Mädchen wie ihr hatte man so eine erstaunliche offenherzige Aussage, ein solches Opfer, eine solche Selbstvernichtung unmöglich erwarten können. Und wozu? Für wen? Um den zu retten, der ihr treulos geworden war und sie tief gekränkt hatte, um wenigstens eine Kleinigkeit zu seiner Rettung beizutragen, indem sie eine Tat von ihm erzählte, die einen guten Eindruck machte! Und wirklich: das Bild eines Offiziers, der alles, was ihm im Leben geblieben ist, seine letzten fünftausend Rubel, hingibt und sich ehrerbietig vor einem unschuldigen Mädchen verneigt, dieses Bild wirkte sehr sympathisch und anziehend, aber ... Mein Herz zog sich schmerzlich zusammen. Ich hatte das Gefühl, daß daraus später eine arge Verleumdung entstehen würde – und die ist dann auch entstanden. Mit boshaftem Lachen erzählte man später in der ganzen Stadt, die Erzählung sei vielleicht nicht ganz genau, nämlich an der Stelle, wo der Offizier das junge Mädchen angeblich nur mit einer respektvollen Verbeugung entlassen habe. Man deutete an, hier sei womöglich etwas ausgelassen. »Doch auch wenn nichts ausgelassen wäre, wenn sich alles wirklich so zugetragen hätte«, sagten sogar unsere geachtetsten Damen, »bliebe dahingestellt, ob das für ein junges Mädchen eine anständige Handlungsweise war, selbst wenn es sich um die Rettung des Vaters handelte.« Hatte Katerina Iwanowna bei ihrem Verstand, bei ihrem ungewöhnlichen Scharfblick etwa wirklich nicht vorhergesehen, daß die Leute so reden würden? Unzweifelhaft hatte sie es vorhergesehen und sich trotzdem entschlossen, alles zu sagen ... Selbstverständlich tauchten alle diese unsauberen Zweifel an der Wahrheit ihrer Erzählung erst später auf; im ersten Augenblick waren alle erschüttert. Die Mitglieder des Gerichtes hörten Katerina Iwanowna mit ehrerbietigem, ja fast verschämtem Schweigen zu. Der Staatsanwalt erlaubte sich keine einzige weitere Frage über diesen Gegenstand. Fetjukowitsch machte ihr eine tiefe Verbeugung. Oh, er triumphierte beinahe. Viel war gewonnen: Ein Mensch, der in einem edlen Gefühl seine letzten fünftausend Rubel hingibt und dann derselbe Mensch, der seinen Vater bei Nacht ermordet, um ihm dreitausend Rubel zu rauben: das war denn doch unvereinbar. Wenigstens die Anklage wegen Raubes konnte Fetjukowitsch jetzt als erledigt betrachten. Ein ganz

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