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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Aljoscha, wir werden glücklich sein! Werden wir glücklich sein, ja?«
    »Ich glaube ja, Lisa.«
    Als Aljoscha Lisa verlassen hatte, hielt er es nicht für geraten, noch Frau Chochlakowa aufzusuchen; er wollte gehen, ohne sich von ihr zu verabschieden. Doch kaum hatte er die Treppe betreten, stand Frau Chochlakowa selbst, Gott weiß woher, vor ihm. Gleich an ihren ersten Worten merkte Aljoscha, daß sie absichtlich auf ihn gewartet hatte. Sie fiel sofort über ihn her: »Alexej Fjodorowitsch, das ist ja schrecklich! Das sind kindische Possen, lauter Unsinn. Ich hoffe, daß Sie daran keine Zukunftspläne knüpfen? Dummheiten, einfach Dummheiten!«
    »Sagen Sie das nur nicht zu ihr«, erwiderte Aljoscha. »Sonst regt sie sich auf, und das wäre jetzt schädlich für sie.«
    »Da höre ich ein verständiges Wort von einem verständigen jungen Mann. Darf ich das so verstehen, daß Sie selbst ihr nur deswegen zugestimmt haben, weil Sie aus Mitleid mit ihrem krankhaften Zustand sie nicht durch Widerspruch aufbringen wollten?«
    »O nein, durchaus nicht. Ich habe ganz ernst mit ihr gesprochen«, erklärte Aljoscha entschieden.
    »Ernst ist da ausgeschlossen, undenkbar. Erstens werde ich Ihren Besuch jetzt niemals mehr dulden, und zweitens werde ich wegfahren und sie mitnehmen. Damit Sie es wissen!«
    »Warum das?« erwiderte Aljoscha. »Es ist ja noch nicht soweit. Etwa anderthalb Jahre werden wir noch warten müssen.«
    »Ach, Alexej Fjodorowitsch, das ist natürlich richtig, und trotzdem werden Sie in anderthalb Jahren sich tausendmal mit ihr zanken und von ihr trennen. Ich bin so unglücklich, so unglücklich! Wenn auch alles nur Possen sind, bin ich doch ganz niedergeschlagen. Jetzt bin ich wie Famusow in der letzten Szene bei Gribojedow; Sie sind Tschazki, sie ist Sofja. Und denken Sie sich, ich bin absichtlich hierher, auf die Treppe gelaufen, um mit Ihnen zusammenzutreffen. In dem Theaterstück vollzieht sich ja auch das ganze Verhängnis auf der Treppe. Ich habe alles mitangehört. Ich habe mich kaum beherrschen können. So finden nun die Schrecken dieser Nacht und die hysterischen Anfälle von heute ihre Erklärung! Für das Töchterchen bedeuten sie Liebe, für die Mutter den Tod. Ich kann mich nun einfach in den Sarg legen ... Jetzt das zweite und wichtigste. Was ist das für ein Brief, den sie Ihnen geschrieben hat? Zeigen Sie ihn mir sofort, sofort!«
    »Nein, das darf ich nicht ... Sagen Sie, wie geht es Katerina Iwanowna? Das muß ich dringend wissen!«
    »Sie liegt immer noch und phantasiert, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Ihre Tanten sind hier; sie ächzen und stöhnen nur und benehmen sich mir gegenüber hochmütig. Doktor Herzenstube ist gekommen und so erschrocken, daß ich nicht wußte, was ich mit ihm anfangen und wie ich ihn retten sollte. Ich wollte schon einen Arzt holen lassen. Ich habe ihn mit meinem Wagen in seine Wohnung bringen lassen. Und jetzt, um das Unglück voll zu machen, Sie mit diesem Brief! Allerdings kann das alles erst in anderthalb Jahren geschehen. Im Namen alles dessen, was groß und heilig ist, im Namen Ihres sterbenden Starez bitte ich Sie: Zeigen Sie mir diesen Brief, Alexej Fjodorowitsch! Mir, der Mutter! Wenn Sie wollen, halten Sie ihn fest, nur möchte ich ihn lesen!«
    »Nein, ich werde Ihnen den Brief nicht zeigen, Katerina Ossipowna! Und selbst wenn sie es erlauben würde – ich dürfte es nicht tun. Ich werde morgen herkommen und, wenn Sie wollen, über vieles mit Ihnen sprechen. Doch jetzt leben Sie wohl!«
    Und Aljoscha eilte die Treppe hinunter auf die Straße.
2.Smerdjakow mit der Gitarre
    Er hatte wirklich keine Zeit.
    Schon als er sich von Lisa verabschiedete, war ihm durch den Kopf gegangen, wie er wohl auf die schlaueste Weise seinen Bruder Dmitri finden könnte, der sich offenbar vor ihm versteckte. Es war schon ziemlich spät, zwischen zwei und drei Uhr nachmittags. Innerlich fühlte sich Aljoscha zum Kloster, zu seinem »großen Sterbenden« hingezogen, doch das Bedürfnis, seinen Bruder Dmitri zu sprechen, ließ alles andere zurücktreten. In Aljoscha verstärkte sich mit jeder Stunde die Überzeugung, daß eine unvermeidliche, schreckliche Katastrophe nahe bevorstand. Worin diese Katastrophe eigentlich bestehen würde und was er seinem Bruder sagen wollte, hätte er vielleicht selbst nicht genau angeben können. ›Mag auch mein Wohltäter in meiner Abwesenheit sterben – ich werde mir dann nicht lebenslänglich Vorwürfe zu machen brauchen,

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