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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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zu solchen Einsichten gelangt?« sagte die weibliche Stimme immer schmeichlerischer.
    »Ich würde noch ganz andere Dinge können, noch ganz andere Dinge wissen, wenn mein Los nicht von Kindesbeinen an so traurig gewesen wäre. Ich würde im Duell denjenigen mit der Pistole erschießen, der zu mir sagt, ich sei ein Schuft, weil mich die ›Stinkende‹ geboren hat, ohne daß es einen Vater dazu gibt. Dabei haben sie mir auch in Moskau diese Beleidigung schon ins Gesicht geschleudert; die Kunde ist dank Grigori Wassiljewitschs Schwatzhaftigkeit von hier dorthin geschlichen. Grigori Wassiljewitsch wirft mir vor, ich empörte mich gegen meine Geburt. ›Du hast ihr‹, sagt er, ›den Mutterleib zerrissen!‹ Mag sein, aber ich wäre zufrieden, wenn man mich noch im Mutterleib getötet hätte, so daß ich überhaupt nicht auf die Welt gekommen wäre. Auf dem Markt haben sie gesagt, und auch Ihre Mama mit ihrem Mangel an Feingefühl hat geglaubt, es mir wiedererzählen zu müssen, meine Mutter habe einen Weichselzopf gehabt und sei ›so ›n bißchen‹ über zwei Arschin groß gewesen. Warum ›so ›n bißchen‹, wo sie doch ›ein wenig‹ sagen können, wie alle ordentlichen Leute. Es sollte weinerlich klingen, aber das sind sowieso nur bäurische Tränen und ganz bäurische Gefühle. Kann denn ein russischer Bauer einem gebildeten Menschen gegenüber ein Gefühl haben? Wegen seiner Unbildung kann er keinerlei Gefühl haben. Von Kindesbeinen an möchte ich, sooft ich den Ausdruck ›so ›n bißchen‹ höre, am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Ich hasse ganz Rußland, Marja Kondratjewna!«
    »Wenn Sie Junker beim Militär oder so ein junger Husarenoffizier wären, würden Sie nicht so reden, sondern den Säbel ziehen und ganz Rußland verteidigen.«
    »Nicht nur, daß ich niemals ein Husarenoffizier sein möchte, Marja Kondratjewna – im Gegenteil, ich wünsche mir vielmehr die Vernichtung aller Soldaten.«
    »Aber wer wird uns schützen, wenn der Feind kommt?«
    »Das ist überhaupt nicht nötig. Im Jahre zwölf war der große Überfall des französischen Kaisers Napoleon des Ersten auf Rußland, er war der Vater des jetzigen, und es wäre gut gewesen, wenn uns diese Franzosen damals unterworfen hätten. Eine kluge Nation hätte dann über eine sehr dumme gesiegt und sie sich einverleibt. Und wir hätten dann auch eine ganz andere Ordnung.«
    »Als ob die Ordnung bei denen viel besser wäre als bei uns! Manchen eleganten jungen Mann bei uns würde ich nicht für drei echte junge Engländer hingeben!« sagte Marja Kondratjewna zärtlich und begleitete in diesem Augenblick ihre Worte wahrscheinlich mit überaus schmachtenden Blicken.
    »Das kommt darauf an, ob man jemand liebt und verehrt.«
    »Sie sind doch selbst wie ein Ausländer, wie ein echter vornehmer Ausländer. Das sage ich Ihnen und schäme mich beinahe.«
    »Wenn Sie es wissen wollen: was liederlichen Lebenswandel anlangt, sind die dort und die hier einander ganz ähnlich. Alle sind sie Schufte, nur daß der Schuft dort in Lackstiefeln umhergeht, während der hier vor Armut stinkt und daran nichts Schlechtes findet. Das russische Volk muß durchgepeitscht werden, wie Fjodor Pawlowitsch gestern richtig bemerkte, obgleich er ein verrückter Mensch ist – wie alle seine Kinder.«
    »Aber Sie haben doch selbst gesagt, daß Sie Iwan Fjodorowitsch sehr schätzen?«
    »Er hat über mich geäußert, ich sei ein stinkender Diener. Er glaubt, ich könnte mich an einer Revolution beteiligen, aber da irrt er sich. Hätte ich eine ordentliche Summe Geld in der Tasche, wäre ich längst nicht mehr hier. Dmitri Fjodorowitsch ist schlechter als jeder Diener, was seinen Lebenswandel wie seinen Verstand, wie seine Armut anlangt, und nichts kann er, gar nichts, und trotzdem wird er von allen geachtet. Ich bin zwar nur ein Bouillonkoch, doch wenn ich Glück habe, kann ich in Moskau auf der Petrowka ein Cafe-Restaurant eröffnen. Denn ich habe so meine Spezialitäten, wie sie keiner von denen in Moskau kennt, mit Ausnahme der Ausländer. Dmitri Fjodorowitsch ist ein Lumpenkerl. Aber wenn er den vornehmsten Grafensohn zum Duell fordert, wird der sich mit ihm schlagen. Und dennoch: Inwiefern ist er besser als ich? Denn er ist unvergleichlich viel dümmer als ich. Wieviel Geld hat er nutzlos vergeudet!«
    »So ein Duell stelle ich mir sehr hübsch vor«, bemerkte Marja Kondratjewna plötzlich.
    »Wieso?«
    »Es geht dabei so schrecklich zu und so tapfer,

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