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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Grund meiner alten nachbarlichen Bekanntschaft hierher, und warum sollte ich das auch nicht tun? Andererseits hat mich Iwan Fjodorowitsch heute bei Tagesanbruch zu ihm in die Wohnung in die Osjornajastraße geschickt, ohne Brief, nur mit der mündlichen Bestellung, Dmitri Fjodorowitsch möchte unbedingt in das Restaurant am Marktplatz kommen, um mit ihm zusammen zu Mittag zu essen. Ich ging hin, traf aber Dmitri Fjodorowitsch nicht an, obwohl es erst acht war. ›Er ist hier gewesen‹, sagten seine Wirtsleute, ›aber vollkommen weggegangen!‹ Mit diesen Worten teilten sie mir das mit. Es scheint zwischen ihnen so eine gegenseitige Verabredung zu bestehen. Und jetzt sitzt er vielleicht mit seinem Bruder Iwan Fjodorowitsch in diesem Restaurant. Denn Iwan Fjodorowitsch ist zum Mittagessen nicht nach Hause gekommen; Fjodor Pawlowitsch hat vor einer Stunde allein gespeist und sich jetzt schlafen gelegt. Ich bitte Sie aber inständig, ihm nichts von mir und von dem, was ich Ihnen mitgeteilt habe, zu sagen! Sonst schlägt er mich ohne weiteres tot.«
    »Mein Bruder Iwan hat Dmitri heute ins Restaurant bestellt?« fragte Aljoscha zur Sicherheit noch einmal.
    »Ganz richtig.«
    »Ins Restaurant ›Zur Residenz‹ am Marktplatz?«
    »Genau.«
    »Das ist sehr gut möglich!« rief Aljoscha in großer Aufregung. »Ich danke Ihnen, Smerdjakow! Das ist eine wichtige Nachricht, ich werde sofort hingehen.«
    »Verraten Sie mich nicht!« rief ihm Smerdjakow nach.
    »Nein, ich werde tun, als käme ich zufällig in das Restaurant, seien Sie unbesorgt.«
    »Wohin wollen Sie denn da? Ich öffne Ihnen die Gartentür«, rief Marja Kondratjewna.
    »Nicht doch, hier ist es näher. Ich steige wieder über den Zaun.«
    Die Nachricht hatte Aljoscha in starke Aufregung versetzt. Er lief zu dem Restaurant. Hineingehen konnte er in dieser Kleidung nicht, aber er konnte sich auf der Treppe erkundigen und die beiden herausrufen lassen. Kaum hatte er sich jedoch dem Gasthaus genähert, öffnete sich auf einmal ein Fenster, und sein Bruder Iwan rief zu ihm herunter: »Aljoscha, kannst du gleich mal zu mir hereinkommen? Du tust mir damit einen großen Gefallen.«
    »Das könnte ich schon. Ich weiß nur nicht, wie ich das in meiner Tracht machen soll.«
    »Zum Glück habe ich ein separates Zimmer. Komm an die Tür, ich komme dir rasch nach unten entgegen.«
    Eine Minute später saß Aljoscha neben seinem Bruder. Iwan war allein und aß zu Mittag.
3. Die Brüder lernen einander kennen
    Iwan saß nicht eigentlich in einem separaten Zimmer. Es war nur ein Platz am Fenster, der durch Wandschirme von dem übrigen Raum abgetrennt war, aber die Gäste hinter den Schirmen waren doch vor fremden Blicken geschützt. Das Zimmer war das erste an der Eingangstür, mit einem Büfett an der Seitenwand. Alle Augenblicke huschten Kellner umher. Als Gast war nur ein alter verabschiedeter Offizier da, der in einer Ecke seinen Tee trank. Dafür herrschte in den anderen Zimmern des Restaurants das in solchen Lokalen übliche Treiben. Man hörte die lauten Rufe nach den Kellnern, das Öffnen von Bierflaschen, das Klappern der Billardbälle, die dröhnende Musik eines Orchestrions.
    Aljoscha wußte, daß Iwan dieses Restaurant fast nie besuchte und überhaupt kein Freund von Gaststätten war. ›Also ist er nur hier‹, überlegte er, ›um wie verabredet Dmitri zu treffen.‹
    Dmitri allerdings war noch nicht da.
    »Ich werde dir Fischsuppe oder sonst etwas bestellen, du lebst doch wohl nicht von Tee allein?« rief Iwan, der sich sehr darüber zu freuen schien, daß es ihm gelungen war, Aljoscha hereinzulocken. Er selbst war mit dem Mittagessen bereits fertig und trank Tee.
    »Bestell mir Fischsuppe und danach Tee, ich habe großen Hunger«, erwiderte Aljoscha fröhlich.
    »Wie ist es mit eingemachten Kirschen? Es gibt hier welche. Erinnerst du dich, wie gern du als kleiner Junge bei Poljonows eingemachte Kirschen gegessen hast?«
    »Das weißt du noch? Nun gut, bestell auch Kirschen, ich esse sie immer noch gern.«
    Iwan klingelte nach dem Kellner und bestellte Fischsuppe Tee und Eingemachtes.
    »Ich erinnere mich an alles, Aljoscha. Ich erinnere mich an dich bis zu deinem elften Lebensjahr; ich war damals fünfzehn. Fünfzehn und elf, das ist so ein Unterschied, daß Brüder in diesem Alter fast nie Kameraden sind. Ich weiß nicht einmal, ob ich dich als Bruder besonders liebhatte. Als ich nach Moskau übergesiedelt war, habe ich in den ersten Jahren nicht einmal an dich

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