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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Hahn darauf sahen wir auch. Ja, da lag der »Goldene Hahn«, genau so ein gemütliches altes Wirtshaus, von dem man in Büchern liest. Aus den kleinen Fenstern leuchtete uns anheimelnd entgegen. Man bekam direkt Lust, auch einmal in ein Wirtshaus zu gehen. Das hatte ich noch nie getan.
    Zunächst aber ritten wir auf den Hof, und dort, wo schon eine Menge anderer Pferde standen, banden wir auch Grim und Fjalar an. Jonathan hatte wohl recht damit, daß man in Nangijala ein Pferd haben müsse. Ich glaube, daß an diesem Abend jeder Bewohner des Kirschtals zum »Goldenen Hahn« geritten war. Als wir eintraten, war die Schankstube voll von Menschen. Männer und Frauen, groß und klein; alle Leute ausdem Dorf waren gekommen und saßen da und plauderten und waren vergnügt, und nur ein paar kleine Kinder waren schon im Schoß der Eltern eingeschlafen. Und welchen Wirbel gab es, als wir kamen! »Jonathan«, riefen sie,
    »da kommt Jonathan!« Der Wirt selbst - ein stattlicher und recht gutaussehender, rotwangiger Mann - rief so laut, daß es trotz des Lärms zu hören war: »Da kommt Jonathan, nein, da kommen wahrhaftig die Brüder Löwenherz! Alle beide!« Er kam auf mich zu, packte mich und stellte mich mit Schwung auf einen Tisch, so daß mich alle sehen konnten, und dort stand ich und spürte, daß ich ganz rot wurde.
    Aber Jonathan sagte: »Das ist mein lieber Bruder Karl Löwenherz, der endlich gekommen ist! Ihr alle müßt nett zu ihm sein, ebenso nett, wie ihr zu mir seid.« »Ja, darauf kannst du dich verlassen«, sagte der Schankwirt und hob mich herunter.
    Doch ehe er mich losließ, drückte er mich einen Augenblick an seine Brust, und ich merkte, wie stark er war.
    »Wir beide«, sagte er, »wir werden genau so gute Freunde werden wie Jonathan und ich. Jossi heiße ich. Doch meistens nennt man mich Goldhahn. Und zum Goldhahn kannst du kommen, wann immer du willst, vergiß das nicht, Karl Löwenherz.«
    Auch Sophia saß dort an einem Tisch, aber ganz allein, und Jonathan und ich setzten uns zu ihr. Darüber freute sie sich, glaube ich. Sie lächelte uns an und fragte, wie mir mein Pferd gefalle, und erkundigte sich, ob Jonathan ihr nicht gelegentlich wieder bei der Gartenarbeit helfen könne. Dann aber saß sie stumm da, und mir schien, als wäre sie über irgend etwas bekümmert. Auch etwas anderes fiel mir auf. Alle Leute, die dort in der Schankstube saßen, sahen Sophia fast ehrfürchtig an, und stand jemand auf, um nach Hause zu gehen, verneigte er sich zu unserem Tisch hin, geradeso als wäre sie etwas Besonderes. Ich konnte das nicht begreifen. Sie saß ja dort in ihrem einfachen Kleid und dem Kopftuch und ihren braunen Händen wie eine gewöhnliche Bauersfrau. Was war denn so Besonderes an ihr, das fragte ich mich? Mir gefiel es im Wirtshaus. Wir sangen viele Lieder, einige, die ich kannte, und andere, die ich noch nie gehört hatte, und alle Menschen waren fröhlich. Aber waren sie es wirklich? Manchmal kam es mir vor, als hätten sie einen heimlichen Kummer, genau wie Sophia. Es war, als ob sie von Zeit zu Zeit an etwas dächten, wovor sie sich fürchteten. Aber Jonathan hatte mir doch gesagt, das Leben hier im Kirschtal sei so leicht und einfach. Wovor fürchteten sie sich dann? Nun ja, meistens waren sie vergnügt, lachten und sangen, und alle waren gut Freund miteinander und schienen sich gern zu haben. Aber ich glaube, daß sie Jonathan am liebsten mochten. Es war genau wie daheim in der Stadt, ihn mochten alle am liebsten. Aber Sophia hatten sie auch sehr gern, glaube ich. Später, als Jonathan und ich aufbrachen und auf dem Hof unsere Pferde losbanden, fragte ich:
    »Jonathan, was ist eigentlich so Besonderes an Sophia?«
    Da hörten wir neben uns eine mürrische Stimme, die sagte: »Ja, genau das frage ich mich auch schon lange. Was ist eigentlich so Besonderes an Sophia?«
    Auf dem Hof war es dunkel, darum konnte ich den Sprecher nicht sehen. Doch plötzlich trat er in das Licht, das aus einem Fenster kam, und ich erkannte einen Mann, der in der Schankstube nicht weit von uns gesessen hatte, einen Mann mit lockigen roten Haaren und einem kurzen roten Bart. Er war mir deshalb aufgefallen, weil er die ganze Zeit über brummig ausgesehen und auch gar nicht mitgesungen hatte. »Wer ist das?« fragte ich Jonathan, als wir im Schritt durch das Hoftor ritten.
    »Er heißt Hubert«, sagte Jonathan. »Und er weiß recht gut, was das Besondere an Sophia ist.«
    Dann ritten wir heimwärts. Es war ein

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