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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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mich so lieb an, wie er es immer tat, »Verzeih mir, Krümel, daß ich das Horn fallen ließ«, sagte er. »Aber ich konnte nichts dafür.«
    Ich hätte Jonathan gern gesagt, daß es für mich nie, nie, nie etwas zu verzeihen gab, aber ich war stumm vor Entsetzen. Katla stand noch immer dort unten. Wieder sprühte Feuer und Rauch aus ihren Nüstern, wieder trampelte sie hin und her.
    Damit ihre Feuerstrahlen uns nicht trafen, hatten wir Schutz hinter dem Findling gesucht. Ich klammerte mich an Jonathan, oh, wie fest ich mich an ihn klammerte, und er sah mich mit Tränen in den Augen an.
    Dann aber packte ihn eine rasende Wut. Er beugte sich vor und schrie zu Katla hinunter: »Du rührst Krümel nicht an! Hörst du mich, du Scheusal, du rührst Krümel nicht an, denn sonst...«
    Er faßte den Stein, als wäre er ein Riese und könnte sie damit erschrecken. Doch er war kein Riese und konnte Katla nicht erschrecken. Der Stein aber lag lose ganz dicht an der Felskante.
    Weder Speer noch Pfeile, noch Schwerter können Katla etwas anhaben, hatte Orwar gesagt. Er hätte noch sagen können, daß selbst ein Stein dies nicht vermochte, wie groß er auch!
    Nein, Jonathan tötete Katla nicht. Karm tat es. und Katla tötete Karm. Vor unseren Augen. Wir sahen es. Niemand außer Jonathan und mir hat gesehen, wie zwei Ungeheuer aus der Urzeit einander vernichteten. Wir sahen sie im Karmafall kämpfen, bis sie tot waren. Als Katla den Schrei ausgestoßen hatte und verschwunden war, konnten wir es zunächst gar nicht glauben. Es war nicht zu fassen, daß sie wirklich nicht mehr da war. Wo sie versunken war, sahen wir nur wirbelnden Gischt. Sonst nichts. Keine Katla.
    Doch dann sahen wir den Lindwurm. Er erhob sein grünes Haupt aus dem Schaum, und sein Schwanz peitschte das Wasser. Er war furchtbar - ein Riesenwurm, ebenso lang, wie der Fluß breit war, genau wie Elfrida ihn geschildert hatte. Der Lindwurm im Karmafall, von dem man ihr als Kind erzählt hatte, er war genausowenig ein Märchen wie Katla. Es gab ihn, und er war ein ebenso scheußliches Untier wie sie. Sein Kopf schoß nach allen Seiten, er suchte - und dann entdeckte er Katla. Sie tauchte aus der Tiefe auf und befand sich plötzlich inmitten der Strudel, und mit einem Zischen warf sich der Lindwurm über sie und wand sich um ihren Leib. Sie sprühte ihr todbringendes Feuer gegen ihn, doch er würgte sie so heftig, daß das Feuer in ihrer Brust erstickte. Da schnappte sie nach ihm, und auch er biß zu. Sie verbissen sich ineinander, um sich zu töten. Vielleicht hatten sie sich seit Urzeiten danach gesehnt, sie hieben und bissen wie Rasende zu und wälzten ihre grauslichen Leiber über- und umeinander. Katla brüllte hin und wieder auf, Karm aber schnappte nur stumm zu, und schwarzes Drachenblut und grünes Lindwurmblut flössen in den weißen Gischt des Wasserfalls und färbten ihn dunkel und giftig.
    Wie lange sie kämpften? Ich weiß es nicht. Mir kam es vor, als hätte ich tausend Jahre lang dort auf dem Pfad gestanden und während der ganzen Zeit nichts anderes wahrgenommen als diese beiden wütenden Ungeheuer in ihrem letzten Kampf. Ein langer und schrecklicher Kampf war es, aber schließlich nahm er ein Ende. Ein markerschütternder Schrei ertönte, es war Katlas Todesschrei. Dann war sie still. Und Karm hatte keinen Kopf mehr. Dennoch gab sein Leib Katla nicht frei, und eng verschlungen sanken sie zusammen in die Tiefe. Nun gab es keinen Karm und keine Katla mehr, sie waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben.
    Der Gischt wurde wieder weiß, die gewaltigen Wasserlassen des Karmafalles spülten das giftige Blut der Ungeheuer fort. Alles war wie einst. So wie es seit Urzeiten gewesen war. Schwer atmend standen wir auf dem Pfad. Obwohl jetzt alles vorüber war, konnten wir lange nicht sprechen. Schließlich sagte Jonathan:
    »Wir müssen weg von hier! Schnell! Es wird bald dunkel, und ich möchte nicht, daß wir in Karmanjaka von der Nacht überrascht werden.«
    Der arme Grim und der arme Fjalar! Ich weiß nicht, wie wir sie wieder auf die Füße brachten und wie wir von dort wegkamen. Sie waren so erschöpft, daß sie sich kaum auf den Beinen halten konnten.
    Jedenfalls verließen wir Karmanjaka und ritten ein letztes Mal über die Brücke.
    Danach aber konnten die Pferde keinen Schritt mehr tun. Kaum hatten wir das andere Ende der Brücke erreicht, sanken sie nieder und blieben liegen. Es war, als dächten sie: Jetzt haben wir euch nach Nangijala gebracht,

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