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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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nicht sehen ... nichts sehen. Nur Jonathan, ich mußte wissen, wo er war.
    Und ich sah ihn ganz nahe beim Matthishof. Dort saß er auf Grim, er war blaß und still, und der Sturm zerrte an seinem Haar. »Jonathan«, schrie ich, »Jonathan, hörst du mich?« Doch er hörte mich nicht. Ich sah ihn sein Pferd anspornen, und dann flog er den Hang hinab, wie ein Pfeil flog er, schneller ist nie jemand geritten, das weiß ich. Er flog auf Tengil zu ... und flog an ihm vorbei...
    Und wieder ertönte die Kriegslure. Aber jetzt war es Jonathan, der sie blies. Er hatte sie Tengil entrissen, und er stieß in das Horn, daß es weithin hallte. Katla sollte merken, daß sie einen neuen Herrn bekommen hatte.
    Dann wurde es still. Selbst der Sturm flaute ab. Alle wurden still und warteten nur.
    Tengil saß wie erstarrt vor Schrecken auf seinem Pferd und wartete auch. Und Katla wartete.
    Noch einmal stieß Jonathan ins Horn.
    Da schrie Katla und wandte sich gegen den, dem sie bis dahin blind gehorcht hatte.
    »Auch Tengils Stunde schlägt einmal«, hatte Jonathan gesagt, daran mußte ich jetzt denken.
    Sie hatte geschlagen.
    So endete der Tag des Kampfes im Heckenrosental. Viele hatten für die Freiheit ihr Leben gelassen. Ja, es war jetzt frei, ihr Tal. Doch die Toten lagen da und wußten es nicht. Matthias war tot, ich hatte keinen Großvater mehr. Hubert war tot er war als erster gefallen. Er kam nicht einmal durch das Flußtor, denn schon dort stieß er auf Tengil und seine Soldaten. Schlimmer noch, er traf dort auf Katla. Gerade an diesem Tage hatte Tengil sie mitgenommen, um dem Heckenrosental wegen Orwars Flucht die letzte große Strafe zu erteilen. Daß es der Tag des Kampfes war, wußte er nicht. Und als es ihm klar wurde, war er bestimmt froh, Katla bei sich zu haben. Aber jetzt war er tot, dieser Tengil, ebenso tot wie die anderen.
    »Unser Peiniger lebt nicht mehr«, sagte Orwar. »Unsere Kinder werden in Freiheit aufwachsen und glücklich sein. Bald ist das Heckenrosental wieder so, wie es einst gewesen ist.« Ich dachte jedoch: So wie früher wird das Heckenrosental nie wieder sein. Nicht für mich. Nicht ohne Matthias. Orwar hatte einen Schwerthieb über den Rücken bekommen, aber er schien ihn nicht zu spüren oder sich nicht darum zu kümmern. Seine Augen flammten noch immer, und er sprach zu den Menschen im Tal.
    »Wir werden wieder glücklich sein«, wiederholte er ständig. Viele weinten an diesem Tag im Heckenrosental. Orwar aber nicht.
    Sophia lebte, sie war nicht einmal verwundet. Und jetzt sollte sie ins Kirschtal zurückkehren, sie und alle ihre Gefährten, die noch am Leben waren.
    Sie kam zum Matthishof, um uns Lebewohl zu sagen. »Hier hat Matthias gewohnt«, sagte sie und weinte. Dann umarmte sie Jonathan.
    »Komm bald zurück zum Reiterhof«, sagte sie. »Ich werde immer an dich denken, bis ich dich wiedersehe.« Und dann sah sie mich an. »Du, Karl, kommst wohl schon mit mir, nicht?« »Nein«, sagte ich. »Nein, ich bleibe bei Jonathan!« Ich hatte solche Angst, daß Jonathan mich mit Sophia wegschicken würde. Aber er tat es nicht. »Ich möchte Karl gern bei mir behalten«, sagte er. Unten am Hang vor dem Matthishof lag Katla wie ein großer, unheimlicher Klumpen, still und gesättigt von Blut Hin und wieder sah sie Jonathan an wie ein Hund, der wissen möchte, was sein Herr will. Sie rührte jetzt niemanden an, aber solange sie hier lag, lag auch der Schrecken über dem Tal. Niemand wagte sich zu freuen, und Orwar meinte, das Heckenrosental könne weder seine Freiheit bejubeln noch seine Toten betrauern, solange sich Katla hier befinde. Und nur ein einziger könne sie in ihre Höhle zurückführen - Jonathan.
    »Willst du dem Heckenrosental noch dieses letzte Mal helfen?« fragte er. »Wenn du sie dort hinbringst und ankettest, dann erledige ich den Rest, sobald die Zeit gekommen ist.« »Ja«, antwortete Jonathan, »ein letztes Mal will ich dir helfen, Orwar!«
    Wie ein Ritt am Fluß entlang sein sollte, das weiß ich ganz gut. Man reitet gemächlich seines Weges, sieht den Fluß dort unten dahineilen, sieht das Wasser blinken und die Weidenzweige im Wind schaukeln. Aber man sollte dabei nicht einen Drachen auf den Fersen haben.
    Doch das hatten wir. Wir hörten das schwere Trampeln von Katlas Tatzen hinter uns. Dump, dump, dump, dump, es klang bedrohlich, und Grim und Fjalar gerieten ganz außer sich. Wir konnten sie kaum zügeln. Hin und wieder stieß Jonathan ins Horn. Auch das klang

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