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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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erst einmal Ausschweifungen hingaben. Über diese Dinge hatten sie sich vor seiner Abreise nach Dresden sehr offen unterhalten. Sein Vater hatte wie alle anderen männlichen Familienmitglieder Eton besucht und wie diese die Nähe männlichen Beisammenseins erlebt. So war es auch am Trinity College gewesen. Fast mit Bedauern in der Stimme erzählte er, wie seine Sturm-und-Drang-Zeit, wie er sie nannte, abrupt endete, weil sein Vater viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde und für ihn die Zeit der Pflichterfüllung anbrach.
    Es war ein Naturgesetz, das man akzeptieren musste. Heirat, gerne eine gute Partie, mindestens einen Sohn zeugen, besser noch ein paar in Reserve, Ende des schönen Lebens.
    Sein Vater hatte in zweierlei Hinsicht Erfolg gehabt. Er hatte reich geheiratet und einen Sohn bekommen. Aus den Reservesöhnen war jedoch nichts geworden. Albie hatte drei Schwestern: Alberta, Margrete und Penelope.
    Es empfahl sich nicht, einen Freund mit nach Hause zu bringen, wenn alle auf eine Verlobung hofften. Es war keine Katastrophe, aber wenig empfehlenswert. Möglicherweise hatte er aus reiner Feigheit Sverres Bedenken zu seinen eigenen gemacht und nicht unbedingt ausgesprochen, aber doch angedeutet, dass sie sich beide in derselben Klemme befänden.
    Natürlich reiste er ohne Begleitung zu der Beerdigung seines Vaters. Wenn sein Großvater nicht im Burenkrieg gefallen und aus diesem Grund viel zu jung gestorben wäre, hätte man erbliche Turbulenzen befürchten können. Albies Vater war an Magenkrebs gestorben, am Ende war es sehr schnell gegangen.
    Die tiefe Trauer schwand nach einem Jahr, aber er spürte, dass ihn die Narben bis an sein Lebensende begleiten würden. Am meisten betrübte ihn, dass er seinem Vater erst nach der Verurteilung Oscar Wildes richtig nahegekommen war. Vor seiner Flucht nach Deutschland hatte er nicht einmal geahnt, wie künstlerisch gebildet und an Literatur interessiert sein Vater war, und noch viel weniger, dass er dieselben Neigungen hegte wie er selbst.
    Viel zu spät hatte er entdeckt, dass sein Vater nicht nur ein Country Gentleman war, mit dem man wie mit allen Männern dieses Schlages nur eintönige und dürftige Unterhaltungen führen konnte, sondern dass er, wenn er nachmittags über seinen Schreibtisch gebeugt saß, mög­licherweise den Faust las und sich nicht unbedingt mit Rechnungen oder dem Erntebericht beschäftigte. Trauerte sein Vater um die allzu kurze Freiheit im Kreise hochbegabter junger Männer, die seine Träume geteilt hatten? Wahrscheinlich. Aber das würde Albie nie erfahren.
    Und nun sah er sich selbst in dieselbe Lage versetzt. Er musste heiraten und irgendwie einen Sohn zeugen und möglichst noch einen zweiten, weil sonst seine Mutter und seine Schwestern, falls er wegen eines Unfalls oder aus einem anderen Grund frühzeitig starb, ausziehen und irgendeinem Cousin alles überlassen mussten. Die Erbfolge war so etwas wie ein Gesetz der Natur, das sich nicht verändern ließ.
    Und da war noch eine Sache, die er Sverre gegenüber im Ungefähren belassen oder, ehrlicher ausgedrückt, die er ihm vorenthalten hatte.
    Jetzt näherte sich die Stunde der Wahrheit mit der gnadenlosen Geschwindigkeit von vierzig Meilen in der Stunde. Bald würden sie in Salisbury eintreffen. Er konnte nur auf zwei Dinge hoffen.
    Ehe er England an jenem gewittrigen Morgen vor fünf Jahren verlassen hatte, hatte er den ehrlichsten Text seines Lebens verfasst. Es war kurz nach dem Prozess gegen Oscar Wilde gewesen. Damals betrachtete er sich selbst als einen Künstler, verführt zu der romantischen Sichtweise auf die Welt wie alle anderen jungen Männer im Dunstkreis Oscars, ermuntert dazu wie alle anderen jungen Männer von Oscar persönlich. Albie hatte mit seinem Herzblut geschrieben, so schonungslos ehrlich, wie die Kunst es laut Oscar erforderte.
    Er hatte auf fünfzig Bögen nicht nur über den Prozess und das Leben der Boheme, die glückliche Zeit unmittelbar vor der Katastrophe, sondern auch über sein eigenes Leben in dieser Zeit und all das, was er Sverre vier Jahre lang verheimlicht hatte, geschrieben. Für all dies gab es also ein schriftliches Zeugnis.
    In ein paar Tagen würde er die Erzählung aus seinem Safe nehmen und sie Sverre übergeben, koste es, was es wolle. Aber wenn sie von nun an ein neues gemeinsames Leben einleiten wollten, war Ehrlichkeit eine Conditio sine qua non, eine notwendige Voraussetzung.
    Das neue Haus stand bereits und sollte Sverre davon

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