Chicagoland Vampires: Drei Bisse frei (German Edition)
KAPITEL EINS
GEGEN MAGIE IST KEIN KRAUT GEWACHSEN
Ende August
Chicago, Illinois
Gleißendes Flutlicht durchbohrte die nächtliche Finsternis des Stadtteils Hyde Park. Wir waren schwer beschäftigt. Fast einhundert Vampire arbeiteten emsig: Teppiche auslüften, Schränke lackieren, Holz abschmirgeln.
Eine Handvoll ernst dreinblickender Männer in Schwarz stand außerhalb des Zauns, der die Grenze zwischen dem großen Anwesen von Haus Cadogan und dem Rest der Stadt markierte. Wir hatten die zusätzlichen Feensöldner zu unserem Schutz angeheuert.
Sie schützten uns vor einem weiteren Angriff der Formwandler. Das schien zwar unwahrscheinlich, aber das war der erste Angriff auch gewesen. Unglücklicherweise hatte das Adam Keene, den jüngsten Bruder des Anführers des Zentral-Nordamerika-Rudels, nicht davon abgehalten, ihn durchzuführen.
Die Söldner schützten uns außerdem vor einer neuen Gefahr.
Den Menschen.
Ich sah vom elegant geschwungenen Bogen der hölzernen Zierleiste auf, die ich gerade beizte. Es war kurz vor Mitternacht, aber durch die Lücke im Zaun sah man deutlich den goldenen Schimmer von Kerzen. Die Flammen tanzten in der schwachen Sommerbrise. Das waren die drei oder vier Dutzend Demonstranten, die sich hier zum schweigenden Protest gegen die Vampire in ihrer Stadt versammelt hatten.
Berühmtheit kann auch nach hinten losgehen.
Als wir uns vor knapp einem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt hatten, waren in Chicago Unruhen ausgebrochen. Doch mit der Zeit hatte sich Angst in Ehrfurcht und Bewunderung gewandelt; das brachte uns Paparazzi und Titelseiten auf Hochglanzmagazinen ein, die mit Genuss über uns berichteten. Als unser Haus mit unvorstellbarer Brutalität angegriffen wurde und wir uns dem entgegenstellten – und dabei auch noch die Formwandler ins Licht der Öffentlichkeit zerrten – , war es mit unserer Beliebtheit wieder vorbei. Die Menschen waren von dem Gedanken, dass es uns gab, nie wirklich begeistert gewesen, und wenn Werwölfe existierten, was mochte es dann da draußen noch geben? In den letzten Monaten war uns der Hass der Menschen entgegengeschlagen, die uns nicht in ihrer Nähe haben wollten und vor unserem Haus zelteten, um ihrer Abneigung Ausdruck zu verleihen.
Mein Handy vibrierte. Ich ließ es aufklappen und sagte: »Cadogan Baumarkt, Abteilung Holz und Bauhölzer. Mein Name ist Merit, wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
Ein prustendes Lachen ertönte am anderen Ende der Leitung. Mallory Carmichael, meine allerbeste Freundin und Hexenmeisterin par excellence, fragte mich: »Ist es nicht ganz schön gefährlich, Vampirin in der Nähe von Espenholz zu sein, das man zu Pflöcken verarbeiten könnte?«
Ich betrachtete die Zierleiste auf dem Sägebock vor mir. »Ich bin mir nicht sicher, ob es sich tatsächlich um Espenholz handelt, aber deine spitze Bemerkung ist angekommen.«
»Nach dieser Ansage gehe ich mal davon aus, dass du heute Abend nichts als Holz im Kopf hast?«
»Mit dieser Annahme liegst du richtig, und da du mich schon darauf ansprichst, ich trage gerade Beize auf ein besonders schönes Stück Handwerkskunst auf, und dann muss ich es später noch verfugen –«
» Gähn , ich sterbe gleich vor Langeweile«, unterbrach sie mich. »Bitte erspar mir deine Handwerkerfantasien. Ich würde ja vorbeischauen, um dich ein wenig aufzuheitern, aber ich muss nach Schaumburg. Gegen Magie ist eben kein Kraut gewachsen.«
Das erklärte die Autogeräusche im Hintergrund. »Selbst wenn du könntest, Mallory, wäre dir der Zutritt verboten. Wir sind jetzt eine menschenfreie Zone.«
»Du willst mich auf den Arm nehmen, oder?«, sagte sie mit Erstaunen. »Wann hat Darth Sullivan denn diese Weisung ausgegeben?«
»Als Bürgermeister Tate ihn darum gebeten hat.«
Mallory pfiff leise vor sich ihn, und ihre Stimme klang nun besorgt. »Ernsthaft? Catcher hat mir nichts davon erzählt.«
Catcher war Mallorys Freund und der Hexenmeister, der an meiner Stelle zu ihr gezogen war, als ich meinen Wohnsitz nach Cadogan verlegte. Er arbeitete außerdem im Büro des städtischen Ombudsmanns für übernatürliche Angelegenheiten – was zufälligerweise mein Großvater war – und sollte daher eigentlich über alles, was an Übernatürlichem vorging, genau Bescheid wissen. Das Büro des Ombudsmanns war eine Art übersinnliche Telefonhotline.
»Die Häuser hängen es nicht an die große Glocke«, räumte ich ein. »Wenn herauskäme, dass Tate die Häuser geschlossen hat, könnte
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