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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Nacheinander fielen ihre Strähnen herab.
    «Amely! Amely!»
    Sie drehte sich um. Er stand drei Schritte entfernt. Malva kam hereingerauscht.
    «Hier sind Sie ja, Amely! Ich dachte schon, Sie sind geflüchtet. Verständlich wäre es – da draußen geht es ja nur noch absurde zu. Philetus und ich wollen das Etablissement wechseln. Kommen Sie, ma chérie.» Die leicht derangierte Gouverneursgattin griff nach ihrer Hand. «Und machen Sie sich keine Gedanken über den Verbleib Ihres Gatten. Er wird morgen irgendwo aufwachen und nicht mehr wissen, wie er dorthin gekommen ist. Ah, Monsieur da Silva, gut, dass Sie hier sind. Sie können doch meinen Daimler Phönix lenken? Ich bin viel zu betrunken zum Fahren.»
     
    Hinter ihm kreischte und lachte Senhora Malva Ferreira, und der Gouverneur von Amazonien plapperte vor sich hin wie ein Papagei. Die beiden mussten einiges an Alkohol in sich haben. Felipe hatte so gut wie nichts getrunken. Trotzdem hatte er Mühe mit dem Gefährt. Ständig rannten ausgelassen Feiernde über die Straßen; sie grölten und trommelten und schütteten jedem, der nicht schnell genug aus den Füßen war, Wasser ins Gesicht. Dass die Polster des sündhaft teuren Automobils durchnässt waren, schien die Gouverneursgattin nicht zu stören. Vielmehr jubelte sie über jeden Guss, der auf sie niederging. Die Federn auf Amelys Kostüm hingen längst traurig herab. Den Brustschmuck trug sie nicht mehr – wie zerrüttet musste man sein, etwas so Kostbares einfach in einer Toilette zu vergessen? Aus ihren offenen Haaren rann das Wasser. Sie saß an seiner Seite, was sie nicht glücklich zu machen schien.
Aber das wird sich ändern
, dachte er entschlossen.
    «Passen Sie auf!», rief sie. Er richtete den Blick wieder nach vorne. Eine Gruppe Trommler, die Gesichter hinter Masken aus Pappmaché, rannte vor dem Motorwagen über die Straße. Einer warf einen prallen Kautschukballon. Ein Schwall Wasser ergoss sich über Felipe, was Malva Ferreiras Laune noch steigerte. Sogar Amely lächelte. Und versank sogleich wieder in ihre düstere Gedankenwelt.
    Sie musste bei den Indios wirklich Übles erlebt haben.
    Er stoppte das Gefährt vor einer der vielen Bars in der Hafengegend, wo ihm der Karneval viel besser gefiel als bei den noblen Bällen der Herrschaften. Voriges Jahr hatte er Wittstock hierhergeschleppt. Und für nächstes Jahr würde er sich Oliveira vornehmen. Dem steifen Jungen würde er schon noch den Stock aus dem Anzug ziehen.
    Wenn ich dann noch Wittstocks ›Linke Hand‹ bin. Wenn ich dann noch lebe
. Mochte Kilian Wittstock seine Gattin schlagen und kujonieren – er würde jeden eigenhändig erwürgen, der sich an sie heranmachte.
    Sie machte große Augen, als er sie durch die unscheinbare Eingangstür in einen rauchgeschwängerten Raum führte. Hier gab es im Publikum alles, Kreolen, Caboclos, Cafusos, Indios. Nur keine weißen hohen Herren. «Keine Angst, ich kenne die Leute», beruhigte er Amely. Die Ferreiras schienen sowieso entzückt, sich in dieses Abenteuer zu wagen. Es wäre eines, zögen sie nicht eine Kette von Leibwächtern hinter sich her, die dem Wagen auf Pferden gefolgt waren. Felipe platzierte sie an einem kleinen Tisch, sorgte für Getränke, die ein wenig mehr hermachten als französischer Schaumwein, und entledigte sich des lästigen Rauchjacketts. Ihm knurrte der Magen. Den Herrschaften sicher auch, denn von Soufflé wurde schließlich kein Mensch satt. Seine Frage, ob er Feijoada bestellen solle, ging fast im Lärm unter. Das Gouverneursehepaar nickte begeistert. Amely schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.
    An der Stimmung konnte es nicht liegen, dass sie in sich gekehrt war. Auf einem langen Tisch, der als Bühne diente, tanzte und sang im Rauch von Kerzen und Zigaretten eine Negerin, begleitet von drei Jungen, die mit Händen und Stöcken auf Atabaques einschlugen. Der wilde Rhythmus der Trommeln ließ die Leute mitklatschen; in sämtliche Glieder fuhr einem die raue Musik. Ein ums andere Pärchen erhob sich und tanzte den rassigen Maxixe. Gestalten in schwarzen Tüchern mit aufgepinselten Gerippen sprangen zwischen den Gästen umher. Amely zuckte zurück, klatschte aber brav weiter. Felipe ließ sie nicht aus den Augen. Nicht, wenn er Gin trank; nicht, wenn er eine der herumgereichten Trommeln schlug. Nicht, als eine fremde Frau die Hüfte an ihm rieb und dem Nächsten in die Arme torkelte, da er nicht reagierte.
    Vor bald anderthalb Jahren war er Amely Wittstock begegnet.

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