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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Diener und küsste ihre Hand. Nacheinander wurde sie von all den herausgeputzten Damen und Herren begrüßt, die sie zuletzt an Silvester gesehen hatte. Ihr taten die Füße weh, als sie endlich im Theater an einem Tisch mit Kilian und dem Gouverneursehepaar saß. Die neidischen Blicke aller waren ihr gewiss. Leichtbekleidete Mädchen huschten zwischen den runden Tischen hindurch und servierten Champagner, Früchtesoufflés und Pralinés auf Eis. Was sich auf der Bühne tat, schien zunächst nicht weiter von Belang. Man plauderte, während als Türken verkleidete Neger Kapriolen schlugen, ein komischer Männerchor sang und ein Kinematograph vorgeführt wurde, der bewegte Bilder eines Tennisspiels zeigte. Erst der Flatulist brachte die Zuschauer zum Lachen, und als sich zu fortgeschrittener Stunde eine Tänzerin auf einem Kanapee räkelnd bis auf die Unterwäsche auszog, wurde die Stimmung ausgelassen.
    Malva und Philetus Ferreira küssten sich ungeniert. Amely konnte nicht sehen, was Frau Ferreiras Hand tat, doch vermutlich nichts anderes, als an den Nachbartischen zu beobachten war. Zwischen den überall herumfliegenden bunten Kautschukballons und Konfetti begannen die Hemmungen zu fallen. Ein Tumult brach aus, als die entblößte Tänzerin Anstalten machte, zuletzt noch ihr Spitzenbeinkleid von den Hüften zu schieben. Von solchen Szenen hatte Amely aus Paris gehört. Nun, im ‹Paris der Tropen› sollte das nicht überraschen. Sie beschloss, einfach steif auszuharren, solange Kilian sich nicht an sie herantastete. Das tat er natürlich nicht; stattdessen hatte er die Kellnerin auf den Schoß gezogen. Irgendwo in einer der düsteren Ecken saß eine Dame rittlings auf ihrem Herrn und bewegte sich verräterisch. Amely konnte nicht anders, als in sich hineinzulachen. Sie beschäftigte sich mit ihrem Champagnerglas und dem leckeren Maracujasorbet. Malva und ihr Gatte waren aufgestanden und tanzten ausgelassen zwischen den Tischen. Auf der Bühne hatte die schamlose Tänzerin einer Gruppe männlicher Akrobaten Platz gemacht, die in aztekisch anmutenden Kostümen wild herumsprangen und dabei ebenfalls nicht mit nackter Haut geizten. Irgendwann sah sie auch Kilian verschwinden, mit einer anderen Frau im Arm als jener, die sie zuletzt auf seinem Schoß gesehen hatte. Ein dumpfer Schlag ertönte, als habe ein Mann einem Konkurrenten einen Fausthieb verpasst.
Gäbe es gleich eine Schießerei, würde es mich auch nicht wundern, schließlich sind wir in Manaus
, dachte Amely, während sie an ihrem Glas nippte.
Ruben, was hieltest du nur hiervon, könntest du es sehen?
    Die Schwarze Maria hatte erzählt, dass dem Varietébesuch noch einige Karnevalsbälle mit Kostümpflicht folgen sollten. Selbstverständlich würde Amely jedes Mal ein anderes Kostüm tragen, und Kilian hatte verkündet, sich ebenfalls zu verkleiden – wahrscheinlich dachte er, ihr damit eine Freude zu machen. Der Phantasie sei keine Grenzen gesetzt, und der Gouverneur habe schon verraten, als Papst zu gehen.
    Himmel! Amely versuchte nicht darüber nachzudenken, wie viele solcher Abende sie in ihrem Leben noch durchstehen musste, bis ihr Plan fruchtete. Der geschmuggelte Kautschuk würde Jahre brauchen, bis er in einem anderen tropischen Land gedieh und Erträge abwarf, die ausreichten, mit dem brasilianischen Kautschuk zu konkurrieren. Die diesen sogar so uninteressant machten, dass sich eine weitere Erschließung der Wälder nicht mehr lohnte. Falls er irgendwo gedieh. Falls er überhaupt außer Landes gelang!
    Die größte Unsicherheit ihres wahnwitzigen Plans war jedoch zweifellos, dass er in der Hand eines Mannes wie Trapo lag.
    Der Cafuso hatte sich umgedreht und sie offen angestarrt. Sie hatte in seinem Gesicht zu lesen geglaubt, welche Gedanken ihn plagten:
Diese reiche Frau, die mit ihrem Leben anscheinend nichts anzufangen weiß, könnte mich zu ihrem Vergnügen hängen lassen, und keinen schert’s
.
    «Ich gehe jetzt, Senhora.» Er hatte es langsam gesagt und sich langsam bewegt. Seine Hand tastete nach der Türklinke, ohne Amely aus den Augen zu lassen, als sei sie eine Schlange zu seinen Füßen.
    «Bleiben Sie. Es ist mir ernst.»
    «Das glaube ich nicht.»
    «Es ist wahr!» Sie rang die Hände. «Was kann ich tun, damit Sie mir glauben?»
    «Gar nichts.»
    Ein Teil von ihr wünschte sich, dass er endlich ginge. Sie wusste, dass er nichts verraten würde – es wäre allein für ihn gefährlich, denn niemand würde ihm glauben. Aber ein

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