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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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wirken sollen. Doch sie ließ sein Gesicht, aus dem eine lange Nacht sprach, nur mehr bedrohlicher wirken.
    «Wo willst du denn hin, Amely-Liebes?»
    «Guten Morgen, Kilian. Ich will mich ankleiden. Dann möchte ich hinunter in Herrn Oliveiras Bureau.» Reden. Geschäftiges Reden war besser, als wie eine Sünderin zu schweigen und zu Boden zu blicken. «Ich möchte ihn darum bitten, in der ‹Hütte› ein neues Hausmädchen anzustellen. Die Frau des Mannes, dessen Familie ich unterstütze – du weißt schon, ja?» Was er nicht wusste, war, dass Trapos Frau als Nachrichtenübermittlerin zwischen ihnen dienen sollte. Dass Amely gelegentlich in die ‹Hütte› flüchten wollte, würde niemandem weiter auffallen.
    «Ja, ja, ich weiß: deine Flausen.» Er schlenderte zu dem Wandschränkchen an seiner Bettseite und holte eine Flasche Gin und ein Glas heraus. Amely wollte die Gelegenheit nutzen, fortzukommen. Doch er rief: «Warte.»
    Während er sich einschenkte, betrachtete er sie von oben bis unten.
    «Zieh doch mal dein Nachthemd hoch.»
    «Bitte?» Sie hob es bis zu den Waden, wenngleich sie wusste, dass er das so nicht gemeint hatte.
    «Weiter», forderte er prompt. Und als sie es schließlich über den Hüften hatte: «Dreh dich zur Seite.»
    Sie gehorchte. Unwillkürlich zog sie den Bauch ein und ließ den Volantsaum wieder ein Stück sinken. Gott im Himmel, da war ja noch gar kein richtiger Bauch; er konnte nichts merken …
    «Hat Maria also richtig hingesehen», brummte er, nahm umständlich die Bartbinde ab und trank. «Du kriegst ein Kind.»
    Ihre Gedanken stolperten durcheinander. Vielleicht hatte er ja gar nicht gemerkt, dass er bei ihr versagt hatte.
Ich muss mir jetzt wünschen, dass er auf mich zukommt und mich freudig in die Arme schließt. Obwohl mir genau das schrecklich verhasst sein wird.
    «Haben’s dir die Indios im Busch gemacht?»
    Das Glas an den Lippen, umrundete er sie und blieb hinter ihr stehen. Sie fühlte sich, als hätte sie Kautschuksamen im Handtäschchen und ein Milizionär drücke ihr die Mündung seiner Pistole in den Nacken. Sie glaubte, das kalte Metall tatsächlich zu spüren. Aber es war nur ihr Angstschweiß.
    «Es könnte auch irgendein verlauster Caboclo gewesen sein. Oder ein Seringuero. Nein, es war ein Wilder, nicht wahr? Du trägst ein kupferhäutiges schwarzhaariges Balg in dir herum.» Seine Stimme war schwer vor Abscheu. «Hat es
einen
Vater? Oder mehrere? Hat es dir Spaß gemacht, mit einem Tier zu vögeln?»
    Um Gottes willen, wie kam er nur darauf?
    «Hat es dir Spaß gemacht?», brüllte er in ihr Ohr, dass sie zusammenzuckte.
    Ja. Ja. Ja
.
    «Dein Zittern ist Antwort genug.»
    Sie zitterte nicht. Sie schlotterte, aber sie konnte es nicht verhindern.
    «Dreh dich um.»
    Wieder gehorchte sie. Immer noch hielt sie die Arme mit dem aufgebauschten Nachthemd fest an sich gedrückt.
    «Saúde!», prostete er ihr zu und trank. «Wieso hast du dieses Kind nicht verloren? Meins jedenfalls hast du verloren. Oder ist es damals schon nicht von mir gewesen? Wenn ich geahnt hätte, dass dein Herr Vater mir ein Hurentöchterlein andreht …»
    Beleidige nicht meinen Vater
. Sie sprach es nicht aus. Nicht, weil sie sich fürchtete – das tat sie –, sondern weil es ihr die Mühe nicht wert war.
    Er holte mit dem Glas aus. Der Gin spritzte ihr ins Gesicht. Bevor er zuschlagen konnte, rannte sie an ihm vorbei auf den Korridor. Irgendetwas schrie sie, damit alle hörten, was ihr drohte – vielleicht würde es ihn abhalten. Er stapfte hinter ihr her. An der Wendeltreppe holte er sie ein und griff nach ihr. Es gelang ihm nur, in ihr offenes Haar zu fassen. In ihrer Hast stolperte Amely über die eigenen Füße und drohte die Treppe hinabzufallen. Sie hockte sich auf die Stufen; ihre Hände umklammerten das Geländer.
    «Mach doch nicht so ein Theater», knurrte Kilian. Durch die Arabesken des schmiedeeisernen Gitters sah sie die Schwarze Maria heranwogen. Bärbel, einige Hausmädchen. Sogar Herr Oliveira war aus seinem Bureau gekommen und richtete nervös seine Krawatte.
    «Senhor Wittstock, tun nicht», jammerte Maria, vor Verzweiflung in die Hände klatschend. Bärbel knetete ihre Schürze. Alle waren stumm. Sogar die Aras.
    Kilian zerrte Amely auf die Füße und hinter sich her, zurück in Richtung des Schlafzimmers. Mit der freien Hand tastete sie an der Wand entlang, als könne sie dort eine Waffe finden. Sie ergriff die Bronzestatuette eines französischen Künstlers,

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