Die Bücher von Umber, Band 3: Das Ende der Zeit
Ich muss gestehen, dass ich schamlos von mehreren berühmten historischen Quellen aus meiner Welt abgeschrieben habe. Es gibt noch einige wenige Königreiche, die ich gern mit diesen Zetteln überschwemmen würde. Können wir jetzt nach Fenn weiterfliegen?«
Hap legte eine Hand auf Umbers Schulter und einen Augenblick später standen sie auf der Mauer, die die gröÃte Stadt Fenns umgab. Umber übergab seine Papierbögen dem Wind. Dann nannte er weitere Orte in weiteren Ländern überall in der bekannten Welt und Hap trug ihn dorthin, bis die Kiste leer war. Danach umfasste Hap erneut Umbers Unterarm und schlieÃlich standen sie wieder, vor Kälte zitternd, auf dem Hügel über Kurahaven.
»Bist du bereit?«, fragte Hap.
»Bringst du mich wirklich zurück in die Welt, die ich gekannt habe?«
»Ja. Aber du erkennst sie wahrscheinlich kaum wieder.«
Umber verzog das Gesicht und schlug sich mit der flachen Hand sanft gegen den Kopf. »Das ist alles so verwirrend, Happenstance. Warum erinnere ich mich an den Lauf der Dinge, so wie ich ihn erlebt habe, obwohl du ihn verändert hast? Und wenn meine Zivilisation zerstört wurde und ich niemals in diese Welt entkommen bin, warum bin ich dann überhaupt hier?«
Hap hob lächelnd die Hände. »Diese Frage kann nicht mal ein Fädenzieher beantworten. Aber jetzt wird es Zeit, dass du dir diese neue Welt anschaust, die du ermöglicht hast.«
Umber räusperte sich und trat von einem Fuà auf den anderen. Sein Blick glitt über die prächtigen Bogengewölbe und Säulen der Stadt, über das im Sternenlicht glitzernde Rulische Meer und über Aerie, das aus der Ferne winzig klein aussah.
»Und wenn du dir alles angesehen hast, reisen wir weiter. So werden wir beide die Zeit verbringen, die uns noch bleibt; wir sinken auf die Jahrhunderte herab wie Vögel auf einen Ast.«
Umbers Augen weiteten sich und auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln. »Wie weit reisen wir denn in die Zukunft?«
»So weit, wie es nur geht.« Hap schaute in den Himmel und betrachtete den Korridor, den Umber nicht sehen konnte. »Alle Fädenzieher fühlen sich von ihr angezogen, Umber. Der Drang wird von Jahr zu Jahr stärker, bis wir nicht mehr widerstehen können. Ich kann es gar nicht erwarten, es zu sehen, das Ende der Zeit.«
»Das Ende der Zeit«, wiederholte Umber voller Ehrfurcht. »Aber was ist das Ende der Zeit, Hap? Ist es der Zeitpunkt, wenn unsere Sonne die Erde verschlingt? Oder die Galaxien aufeinanderprallen; oder der Kosmos abkühlt, bis alles erfroren ist; oder das Universum kollabiert, nur um sich erneut zu entzünden und auszudehnen? Oder ist es etwas, das unsere Vorstellungskraft übersteigt, etwas Mythisches?«
»Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, antwortete Happenstance und hakte sich bei Umber unter.
»Warte!«, sagte Umber. »Ein letzter Blick.« Er betrachtete erneut die Aussicht. »Als ich diese Zettel verteilt habe«, sagte er, »da war ich doch selbst auch ein bisschen so etwas wie ein Fädenzieher, oder?«
Happenstance zuckte mit den Schultern. »Sind wir das nicht alle? Jetzt schlieà die Augen.«
Man hörte ein Geräusch wie das Atmen eines Kindes, dann wurde es kurz dunkel, und sie waren verschwunden.
P. W. Catanese lebt mir seiner Frau und drei Kindern in einer kleinen Stadt in Connecticut. Wenn er nicht gerade Cartoons zeichnet oder schreibt, arbeitet er für eine Werbeagentur. Mehr
über den Autor auf www.pwcatanese.com
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Birgit Schmitz hat Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft studiert und arbeitete als Dramaturgin, bevor sie eine freiberufliche Laufbahn einschlug. Sie lebt als Literaturübersetzerin und Lektorin in Frankfurt am Main.
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