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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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einem eigentlich gehört.«
    Liesel zwang ihre Aufmerksamkeit auf den Werkzeugkasten, und sie versuchte, ihn zu bremsen. »Was hast du da drin?«
    Er beugte sich vor und öffnete den Kasten.
    Alle Gegenstände ergaben einen Sinn, bis auf den Teddybären.
    Während sie weitergingen, erklärte Rudi, was er mit den Gegenständen im Werkzeugkasten tun wollte. Die Hämmer zum Beispiel dienten zum Einschlagen von Fenstern. Das Handtuch wickelte man vorher darum, damit der Lärm gedämpft wurde.
    »Und der Teddybär?«
    Er gehörte Anna-Marie Steiner und war nicht größer als eines von Liesels Büchern. Der Pelz war zottelig und abgeschabt. Die Augen und Ohren waren mehrmals neu angenäht worden, aber er schaute dennoch freundlich drein.
    »Das«, so verkündete Rudi, »ist mein Geniestreich. Wenn ein Kind reinkommt, während ich im Haus bin, kann ich ihm den Teddy geben, um es zu beruhigen.«
    »Und was willst du stehlen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Geld, Lebensmittel, Schmuck. Alles, was ich kriegen kann.« Es hörte sich ganz einfach an.
    Erst fünfzehn Minuten später, als Liesel die plötzliche Stille in seinem Gesicht bemerkte, begriff sie, dass Rudi Steiner überhaupt nichts stehlen würde. Die Entschlossenheit war verschwunden, und obwohl er sich nach wie vor im Glorienschein seines Vorhabens sonnte, erkannte sie, dass er nicht mehr daran glaubte. Er versuchte zu glauben, und das ist immer ein schlechtes Zeichen. Seine verbrecherische Grandeur zerfiel vor ihren Augen. Ihre Schritte verlangsamten sich, und sie betrachteten die Häuser. Liesels Erleichterung saß rein und traurig in ihrem Herzen.
    Sie waren in der Gelbstraße.
    Überall ragten die Häuser dunkel und groß empor.
    Rudi zog die Schuhe aus und hielt sie in der linken Hand. In der Rechten hatte er den Werkzeugkasten.
    Zwischen den Wolken stand der Mond. Man konnte kilometerweit sehen.
    »Worauf warte ich noch?«, fragte er. Liesel erwiderte nichts. Wieder öffnete Rudi den Mund, aber es kamen keine Worte. Er stellte den Werkzeugkasten auf den Boden und setzte sich darauf.
    Seine Socken wurden kalt und nass.
    »Wie gut, dass du noch ein Paar im Werkzeugkasten hast«, bemerkte Liesel. Sie sah, dass er versuchte, ein Lachen zu unterdrücken. Trotz allem.
    Rudi rutschte etwas zur Seite und wandte sich von ihr ab. Jetzt war auch für Liesel Platz auf dem Werkzeugkasten.
    Die Bücherdiebin und ihr bester Freund saßen Rücken an Rücken auf einem fleckig roten Werkzeugkasten mitten auf der Straße. Jeder schaute in die entgegengesetzte Richtung, und eint Zeit lang schwiegen sie. Dann standen sie auf, Rudi wechselte seine Socken, und sie machten sich auf den Heimweg. Rudi ließ die nassen, kalten Socken auf der Straße liegen. Als Geschenk entschied er, für die Gelbstraße.
    RUDI STEINER SPRICHT DIE WAHRHEIT
    »Ich glaube, ich kann besser Dinge zurücklassen als sie stehlen.«
    Ein paar Wochen später erwies sich der Werkzeugkasten doch noch als nützlich. Rudi räumte die Schraubendreher und Hämmer heraus und bestückte den Kasten mit so vielen Wertsachen der Steiners, wie hineingingen, für den Fall eines Luftangriffs. Der einzige Gegenstand, der drin blieb, war der Teddybär.
    Am 9. März verließ Rudi das Haus mit dem Werkzeugkasten. Die Sirenen stürzten sich wieder einmal auf Molching.
    Während die Steiners durch die Himmelstraße eilten, hämmerte Michael Holzinger heftig an Rosa Hubermanns Tür. Rosa und Liesel kamen heraus, und Michael Holzinger erklärte ihnen sein Problem. »Meine Mutter«, sagte er. Immer noch waren Pflaumen aus Blut in seinem Verband. »Sie will nicht rauskommen. Sie sitzt in der Küche am Tisch.«
    Obwohl bereits Wochen vergangen waren, hatte Frau Holzinger noch nicht einmal begonnen, sich zu erholen. Jedes Mal, wenn Liesel zum Vorlesen kam, starrte die Frau die meiste Zeit aus dem Fenster. Ihre Worte waren leise, fast bewegungslos. Alle Grobheit und Verkniffenheit war ihr aus dem Gesicht geschabt worden. Es war meistens Michael, der Liesel verabschiedete oder ihr den Kaffee gab und ihr dankte. Und jetzt das.
    Rosa verlor keine Zeit.
    Eilig watschelte sie durch das Tor und stellte sich in den Türrahmen. »Holzinger!« Kein Laut außer den Sirenen und Rosa. »Holzinger, scher dich hier raus, du dämliche alte Kuh!« Takt war noch nie Rosas Stärke gewesen. »Wenn du nicht rauskommst, dann bleiben wir hier stehen und krepieren auf offener Straße!« Sie drehte sich um und betrachtete die hilflosen Gestalten auf dem

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