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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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zurück, wenn es sein muss. Und wir melden es der nächsten Station.«
    Was mich betrifft, so hatte ich den größten aller Fehler bereits begangen. Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich von mir selbst enttäuscht war. Anfangs hatte ich alles richtig gemacht:
    Ich betrachtete den blendenden, weißschneeigen Himmel, der vor dem Fenster des fahrenden Zuges stand. Ich atmete ihn förmlich ein, aber trotzdem geriet ich ins Wanken. Ich gab nach mein Interesse war geweckt. An dem Mädchen. Die Neugier siegte, und ich beschloss, so lange zu bleiben, wie es mein Zeitplan erlaubte. Ich schaute zu.
    Dreiundzwanzig Minuten später hielt der Zug an, und ich stieg gemeinsam mit ihnen aus.
    Eine kleine Seele lag in meinen Armen.
    Ich stand zu ihrer Rechten, etwas abseits.
    Die tatkräftigen beiden Wachmänner gingen zurück zu der Mutter, dem Mädchen und dem schmächtigen männlichen Leichnam. Ich erinnere mich noch genau daran, dass mein Atem an diesem Tag ungewöhnlich laut war. Ich war überrascht, dass die Wachen mich nicht bemerkten, als sie an mir vorbeigingen. Die Welt wurde niedergedrückt unter all der Last aus Schnee.
    Etwa zehn Meter zu meiner Linken stand das bleiche Mädchen, durchgefroren bis auf die Knochen und mit leerem Magen.
    Ihr Mund zitterte.
    Sie hatte die kalten Arme überkreuzt.
    Gefrorene Tränen hingen auf dem Gesicht der Bücherdiebin.
    die finsternis
    Das nächste Mal war es schwarz, wie Druckerschwärze, als ob der Gegensatz zu dem Weiß meine Vielseitigkeit unterstreichen wollte. Es war der dunkelste Augenblick vor der Dämmerung.
    Diesmal war ich wegen eines Mannes von vierundzwanzig Jahren gekommen. Auf eine bestimmte Weise war es ein herrlicher Anblick. Das Flugzeug hustete noch. Rauch drang aus seiner Lunge.
    Als es abstürzte, hinterließ es drei tiefe Furchen in der Erde. Seine Flügel waren nur mehr abgesägte Arme. Nie wieder durch die Lüfte gleiten. Auch das Leben des Flugzeugs war zu Ende.
    EINE WEITERE BEMERKUNG AM RANDE
    Manchmal treffe ich zu früh ein. Ich beeile mich, und manche Menschen klammern sich länger an das Leben als erwartet.
    Nach einer kurzen Ansammlung von Minuten hatte sich der Rauch erschöpft. Nichts mehr war geblieben.
    Zuerst kam ein Junge, mit wildem Atem und einem Gegenstand in seiner Hand, der aussah wie ein Werkzeugkasten. Beklommen näherte er sich dem Cockpit und betrachtete den Piloten, versuchte einzuschätzen, ob er am Leben war, was zu diesem Zeitpunkt noch zutraf. Die Bücherdiebin kam etwa eine halbe Minute später.
    Jahre waren vergangen, aber ich erkannte sie.
    Sie keuchte.
    Aus dem Werkzeugkasten nahm der Junge einen Teddybären. Ausgerechnet einen Teddybären.
    Er streckte seinen Arm durch die zersplitterte Windschutzscheibe und setzte den Teddy auf die Schulter des Piloten. Der lächelnde Bär saß gemütlich in dem Durcheinander aus Wrackteilen und im Blut des zerschmetterten Mannes. Ein paar Minuten später ergriff ich die Gelegenheit. Der Zeitpunkt war gekommen.
    Ich trat hinzu, löste seine Seele und trug sie sanft hinweg.
    Alles, was übrig blieb, waren der Körper, der schwächer werdende Geruch nach Rauch und der lächelnde Teddybär.
    Als die Menschenmenge eintraf, hatte sich bereits alles verändert. Der Horizont glich glühender Kohle. Alles, was von der Schwärze übrig geblieben war, waren gekritzelte Linien auf dem Himmel, und auch die verschwanden schnell.
    Im Vergleich dazu schimmerte der Mann knochenweiß. Seine Haut hatte die Farbe menschlichen Gebeins. Seine Augen waren kalt und braun - wie Kaffeeflecken -, und das schwächer werdende Gekritzel über mir formte sich, so schien es mir, zu einem merkwürdigen und doch vertrauten Zeichen.
    Die Menge tat, was sie immer tut.
    Während ich durch sie hindurchschritt, standen die Leute da und rührten in der Stille. Es war ein bescheidenes Gebräu aus unzusammenhängenden Gesten, gedämpften Sätzen und schweigender Unbehaglichkeit. Manche wandten sich ab.
    Ich blickte zurück zum Flugzeug. Der offene Mund des Piloten schien zu lächeln.
    Ein letzter schmutziger Witz.
    Eine weitere menschliche Pointe.
    Seine Uniform umfing ihn wie ein Leichentuch, während das graue Tageslicht sich in den Himmel drückte. Als ich mich weiter entfernte, war mir - wie bei so vielen anderen zuvor -, als ob sich die Welt noch einmal für einen kurzen Moment in Schatten hüllte, ein letzter Moment der Finsternis - die Erkenntnis, dass eine weitere Seele gegangen war.
    Wisst ihr, ich sehe sie oft, wenn ein

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