Die Formel (Ein Fall für Die Nachtfalken - Band 1) (German Edition)
1
Wütend knallte Sara den Hörer auf die Gabel. Was sich diese Kunden nur immer einbildeten! Kopfschüttelnd saß sie mit verschränkten Armen da und starrte das Telefon an. Und es war erst Mittwoch.
Ihre Kollegin Marianne gegenüber musste lachen. „Du weißt doch, du sollst die Typen nicht so ernst nehmen. Lass dich doch nicht immer so ärgern!“
Sara brachte nur einen knurrenden Laut zustande. Und diese neue, ewig fröhliche Kollegin nervte auch langsam. Sie löste ihre Arme aus der Verschränkung und rollte mit ihrem Bürostuhl wieder vor ihren Bildschirm. So hatte sie wenigstens nicht mehr das Telefon und die Kollegin im Blick, sondern nur den Monitor vor der blendend weiß gestrichenen Wand.
Mitten in ihre Gedanken meldete sich noch einmal die muntere Stimme vom anderen Schreibtisch. „Ach übrigens, der Chef hat angerufen, du sollst ihm die Eckdaten von einem neuen Objekt von Herrn Liebherr in Unterföhring durchgeben. du erreichst ihn am Handy.“
Sara beobachtete die Kollegin, wie sie mit enervierender Lan gsamkeit die Immobilienanzeigen für die Süddeutsche Zeitung am Donnerstag eintippte. Dabei presste sie ihre Lippen auf die Zungenspitze, die rosa zwischen dem braunroten Lippenstift hervorlugte.
Sara begann auf die Tastatur ihres PCs einzuhacken und versuchte, dem Netzwerk die gewünschten Daten zu entlocken.
Das Klingeln des Telefons zeriss die gleichmäßige Geräuschkulisse aus Tastengeklapper und Verkehrslärm. Sara schreckte hoch. Das war bestimmt schon wieder der Alte. Sie suchte weiter. Das Klingeln durchdrang jede ihrer Gehirnwindungen.
„Das ist deins“, tönte Marianne.
„Jaja.“ Ein Blick aufs Display ließ Saras ausgestreckte Hand zurückzucken. Stefan! Sollte sie überhaupt mit ihm reden? Sie hatte keine Lust, ihn zu sehen oder zu sprechen. Anfangs war es wirklich schön mit ihm gewesen, aufregend. Ein unternehmungslustiger Kerl, der immer nur Fun im Kopf hatte. Und ein verdammt guter Liebhaber. Aber wie er letzten Samstag an dieser Blondine mit den Kuhaugen rumgefingert hatte. Nichts gegen eine offene Beziehung, aber musste er vor ihren Augen andere Weiber anbaggern?
Während ihre Hand noch über dem Hörer schwebte, verschwand die Nummer auf dem Display, das Klingeln verstummte. Gut, sie hatte erstmal eine Galgenfrist. Die Mailbox hatte den Anruf für sie angenommen. Als die entsprechende Diode aufleuchtete, rief sie seine Nachricht ab. „Hallo Kleine, am Samstag ist ägyptischer Abend in der BlueBox . Wie wär’s, gehen wir zwei Hübschen als Cäsar und Kleopatra? Ruf mich an.“
„Das ist aber eine nette Idee, Ägypten ist mal was anderes.“ Erscholl es von gegenüber. Sara quittierte Mariannes Begeisterung mit einem undefinierbaren Grunzen. Sie hasste Verkleiden und Themenabende. Schon immer. Sie war nun mal keine Prinzessin und erst recht keine altägyptische Königin. Sie war einfach nur Sara. Reichte das nicht?
Kaum hatte sie den Aktenschrank wieder geöffnet, läutete es erneut. Genervt riss sie den Hörer ab, ohne auf das Display zu sehen. „Immobilien Paulsen. Lindmann. Grüß Gott!“
„Frau Lindmann, na endlich“, meldete sich die verrauschte Stimme ihres angesäuerten Chefs. „Ich stehe jetzt vor dem Objekt in Unterföhring. Die Interessenten treffen jeden Moment ein. Haben Sie die Daten parat?“
Endlich 17.00 Uhr, Feierabend. Hastig kramte Sara die Papierflut auf ihrem Schreibtisch zusammen, stapelte sie ordentlich und schaltete den PC aus. Mit einem knappen Gruß verabschiedete sie sich von Marianne und verließ eilig das Gebäude. Unterwegs zur S-Bahn ging sie noch in den kleinen Lebensmittelladen an der Ecke und kaufte Tiefkühlpizza, Obst und Orangensaft ein. Auf ihre Lieblingschips musste sie verzichten, die waren aus.
Zwanzig Minuten später hatte sie ihr Zuhause erreicht. Sie blickte die bröckelnde Altbaufassade hinauf zu ihren Fenstern im dritten Stock. Abweisend wie eine Ritterburg wirkte das Gebäude, und der Ausguck war wie immer von Frau Miller im 4. Stock besetzt. Ihre fetten Ellbogen auf ein Kissen gebettet, starrte die Rentnerin auf den nie abreißenden Verkehr und die wie Ameisen herumwuselnden Passanten.
Sie warf sich mit der Schulter gegen die schwere hölzerne Ei ngangstür. Im Treppenhaus schüttelte sie ihre vom Wind zerzausten Haare und erklomm die drei Stockwerke zu ihrer Wohnung. Die Leuchtstoffröhre, die den Gang zu ihrer Wohnungstür erhellen sollte, flackerte. Durch das stakkatohaft aufblitzende Licht traf
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