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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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als der Fremde in dem schweren Raum ein weiteres Lied spielte. Er schaute von einem zum anderen, auf den Mann, der spielte, und auf die Frau, die weinte. Die Noten griffen nach ihren Augen. So viel Traurigkeit.
    Hans ging.
    »Du hast mir nie etwas gesagt«, sprach er zu dem toten Erik Vandenburg und der Kulisse von Stuttgart. »Du hast mir nie gesagt, dass du einen Sohn hast.«
    Nach einem Moment des Innehaltens und Kopfschüttel ns kehrte Hans nach München zurück. Nie hätte er erwartet, jemals wieder von diesen Leuten zu hören.
    Was er nicht wusste, war, dass seine Hilfe eines Tages dringend nötig sein würde, allerdings nicht in seiner Funktion als Anstreicher. Doch bis dahin sollten rund zwanzig Jahre vergehen.
    Es dauerte einige Wochen, bevor er wieder arbeitete. In den Monaten mit gutem Wetter schuftete er nach Leibeskräften, und selbst im Winter sagte er ein ums andere Mal zu Rosa, dass die Kunden zwar nicht bei ihm Schlange standen, aber hin und wieder schneite doch der eine oder andere herein.
    Mehr als zehn Jahre lang ging alles gut.
    Hans junior und Trudi kamen zur Welt. Sie wuchsen auf, besuchten ihren Papa auf der Arbeit, klatschten Farbe auf Wände und reinigten Pinsel.
    Als Hitler 1933 an die Macht kam, geriet Hans Hubermanns Arbeitsleben in Schieflage. Die meisten Deutschen traten in die NSDAP ein. Hans nicht. Er hatte diese Entscheidung gründlich überdacht.
    WAS SIC H HANS HUBERMANN DABEI DACHTE
    Er war weder gebildet noch politisch engagiert, aber er war ein Mann, dem Gerechtigkeit am Herzen lag. Ein Jude hatte einst sein Leben gerettet, und das hatte er nicht vergessen. Er konnte keiner Partei beitreten, die andere Menschen derart zu Feindbildern verzerrte.
    Ähnlich wie bei Alex Steiner waren auch viele seiner Kunden Juden. Wie viele Juden, so glaubte auch Hans, dass der Hass nicht andauern würde. Es war eine bewusste Entscheidung, sich nicht hinter Hitler zu stellen. In vielerlei Hinsicht war es eine katastrophale Entscheidung.
    Als die Verfolgung begann, wurde die Auftragslage merklich schlechter. Am Anfang war es nicht so schlimm, aber bald schon verlor er einen Kunden nach dem anderen. Die Auftragszettel schienen von dem sich erhebenden Nazisturm davongeweht zu werden.
    Eines Tages traf er einen alten Bekannten, Herbert Bollinger, in der Münchener Straße. Bollinger war ein Mann mit einem schier unermesslichen Körperumfang, der Hochdeutsch sprach. (Er kam aus Hamburg.) Zunächst schaute der Mann vor sich zu Boden, soweit es sein ausladender Bauch erlaubte, aber als sein Blick zu dem Anstreicher zurückkehrte, bereitete ihm die Frage, die er im Gesicht des anderen las, sichtlich Unbehagen. Es gab für Hans eigentlich keinen Grund, diese Frage zu stellen, aber er tat es trotzdem.
    »Was ist nur los, Herbert? Mir laufen die Kunden schneller weg, als ich gucken kann.«
    Bollinger hatte sich wieder gefasst. Aufrecht stehend, formulierte er die Antwort als Gegenfrage: »Hans, bist du inzwischen Mitglied?«
    »Von was?«
    Aber Hans Hubermann wusste genau, wovon Bollinger sprach.
    »Ach, komm schon, Hansi«, gab Bollinger zurück. »Stell dich doch nicht so dumm.«
    Der hochgewachsene Anstreicher winkte ab und ging weiter.
    Die Jahre vergingen, und die Juden wurden nach Belieben im ganzen Land terrorisiert. Im Frühjahr 1937 hätte Hans Hubermann beinahe Schande über sich gebracht und nachgegeben. Er stellte einige Erkundigungen an und gab seinen Antrag auf Aufnahme in die Partei ab.
    Sein Antragsformular lag bereits im Parteibüro in der Münchener Straße, da wurde er Zeuge, wie vier Männer Steine in das Schaufenster eines Bekleidungsgeschäftes warfen, das einem gewissen Kleinmann gehörte. Er führte einen der wenigen jüdischen Läden, die in Molching noch geöffnet hatten. Im Verkaufsraum stotterte ein schmächtiger Mann vor sich hin und lief knirschend über zerbrochenes Glas, während er aufräumte. Ein senffarbener Stern war auf die Tür geschmiert worden. In schlampigen Buchstaben standen die Worte »Jüdischer Abschaum« darüber geschrieben. Die hektischen Bewegungen im Innern des Ladens verlangsamten sich zu einem verdrießlichen Schlurfen und verharrten dann gänzlich.
    Hans kam näher und steckte den Kopf zur Tür herein. »Brauchst du Hilfe?«
    Herr Kleinmann schaute auf. Ein Besen hing nutzlos in seiner Hand. »Nein, Hans. Bitte. Geh weg.«
    Hans hatte im vorigen Jahr Joel Kleinmanns Haus neu angestrichen. Er erinnerte sich an die drei Kinder. Er sah ihre Gesichter vor

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