Die Burg der flammenden Herzen
durch sein Verhalten daran erinnern, ihn nicht zu enttäuschen? Oder war das seine übliche Antwort auf etwas, was er befürchtete? Sebastian kannte Lord Wednesfield schon seit Kindheitstagen, aber er vermochte nicht, diese Fragen zu beantworten.
Der Earl schwieg so lange, bis sie den Garten erreicht hatten, der im goldenen Licht der späten Nachmittagssonne vor ihnen lag. Die grauen Schatten der anbrechenden Dämmerung sammelten sich allmählich unter den Gewächsen, die in einzelnen Gruppen gepflanzt waren. Der endlos scheinende Tag neigte sich seinem Ende zu.
“Was hat es mit dem Verlöbnis meiner Tochter auf sich?” fragte der Earl, als er endlich Sebastians Schulter losließ.
Mutig stellte Sebastian sich seinem Blick. “Ich wünsche, Eure Tochter Beatrice zu heiraten, und nicht Eure Tochter Cecilia.”
Fragend hob der Earl die Brauen. “Was hat das zu bedeuten?”
“Ich ziehe Beatrice ihrer Schwester vor. Und jetzt, da sie verwitwet ist, steht dem nichts mehr im Wege.”
Der Gesichtsausdruck des Earl hatte sich nur unmerklich verändert, als er seinem Gegenüber eine schallende Ohrfeige verpasste. Sebastian taumelte, doch es lag eher an der Überraschung als an dem Schlag selbst, obwohl seine Wange gehörig brannte.
“Mylord?”
“Das ist dafür, dass du mich zum Narren halten willst.”
Sebastian rieb sich den Kopf. “Ich verstehe nicht, Mylord. Was soll das bedeuten?”
Erneut schlug der Earl zu, und diesmal trieb die Wucht des Hiebes Sebastian zurück. Zorn wallte in ihm hoch, doch er beherrschte sich, die Hand gegen Wednesfield zu erheben. Nicht nur, dass der Earl eine höhere Stellung einnahm, er war Sebastian seit vielen Jahren wie ein Vater gewesen. Daher stand es ihm zu, ihn zurechtzuweisen, auch mit der Härte seiner Hand.
“Mylord! Das habe ich nicht verdient.”
“Da du mich belügst, geschieht es dir recht. Und weil du mir törichte Lügen auftischst, verdienst du es umso mehr”, grollte der Earl, und seine Miene verhärtete sich. “Jetzt sag mir die Wahrheit und lass ab von diesem törichten Gerede.”
Sebastian hätte wissen müssen, dass er nicht davonkommen würde, ohne die wahren Umstände der Verlobung preiszugeben. “Ich bitte Euch, Mylord, schlagt mich nicht erneut, ehe Ihr nicht die ganze Geschichte vernommen habt.”
Der Earl nickte. Sein Mund glich einer harten Linie, die Brauen unter seiner gerunzelten Stirn waren über dem Nasenrücken zusammengezogen. Er war nicht zornig – noch nicht. In einem schnellen, stillen Gebet bat Sebastian um Vergebung und erklärte dann, was sich vor Jahren an jenem Dreikönigsabend zugetragen hatte.
“Und warum erfahre ich erst jetzt davon?” fragte Wednesfield mit ruhiger Stimme.
“Mylord, als wir uns das Versprechen gaben, hielt ich es nicht für bindend. John hat mir indes vor Augen geführt, dass es uns beide bindet.” So war es die ganze Zeit gewesen, aber das konnte er dem Earl nicht sagen. “Als Ihr Lord Manners Eure Tochter versprochen habt, wusste ich, dass es nicht sein durfte.” Beatrice hatte ihm einst erzählt, Manners habe um ihre Hand angehalten, und in diesem Augenblick war ihm bewusst geworden, dass ihr das Versprechen am Dreikönigsabend nichts bedeutete. Nie hätte sie einem Mann gestattet, ihr einen Antrag zu machen, wenn sie sich bereits als verlobt betrachtet hätte. Und er hatte auch erkannt, dass er ihr nichts bedeutete. “Wir waren noch jung.”
“Nicht mehr jung genug”, sagte der Earl kurz angebunden. Er seufzte. “Bist du sicher, dass es sich so zugetragen hat?”
“Mylord, ich weiß nicht, was ich mit Sicherheit sagen kann. Aber ich weiß, dass wir uns ein bindendes Versprechen gegeben haben, und deshalb ist Beatrice nach dem kanonischen Recht jetzt meine Frau.”
“Wofür brauchst du mich dann? Sie ist deine Frau, mit oder ohne meinen Segen.” In Lord Wednesfields Stimme schwang Missfallen mit.
“Aber in der Öffentlichkeit gelten wir nicht als verheiratet. Ich möchte nichts tun, was einem von uns Schande bereitet. Und daher brauchen wir eine Verlobung und eine Hochzeit, als ob wir noch gar nicht verheiratet wären. Zudem würden die Zeugen unserer Heirat mein Gewissen beruhigen.”
“Und wenn mir nun gar nichts an deiner Gewissensberuhigung liegt? Was wirst du dann tun?”
“Ich werde Beatrice als meine Gemahlin mit nach Benbury nehmen, mit oder ohne Eure Zustimmung, Mylord. Sie wird keine Mitgift haben und auch keine Vermögenszuwendung erhalten. Sollte ich vor ihr sterben,
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