Die Burg der flammenden Herzen
Duft, der Erinnerungen an glücklichere Zeiten in den Gärten von Wednesfield in ihr hervorrief, war Balsam für ihre wunde Seele. Immer wieder tauchte sie die Hände in das Wasser und benetzte ihr Gesicht, bis sie nichts anderes mehr zu riechen vermochte.
Bitte, gütige Maria, lass mich wieder glücklich sein. Gesegneter Jesus, verleih mir Stärke, damit ich meine Heimsuchungen überstehe, und lass mich Frieden finden.
Das Gebet war ausgesprochen, bevor sie überhaupt wahrnahm, dass sie gebetet hatte. Langsam richtete sie sich auf und wartete auf das Gefühl von Trostlosigkeit, das sich stets einstellte, wenn sie zu beten versuchte. Wasser tropfte auf ihre Brust und ließ sie zusammenfahren. Sie fühlte sich nach dem Gebet nicht besser, aber sie fühlte sich auch nicht schlechter. Lag darin vielleicht eine Antwort? Sie wusste es nicht zu sagen und hatte keine Zeit, über das Geheimnis nachzudenken. Wenn sie sich nicht beeilte, käme sie zu spät zum Essen.
Als sie das Speisezimmer betrat, hatte sie auf den ersten Blick den Eindruck, als schare sich die ganze Familie um Sebastian. Er saß neben ihrem Vater und sah ihren Bruder John an, während er sprach. Seine Mundwinkel zuckten, als ob er jeden Augenblick lächeln würde. Es schmerzte sie in ihrem Herzen, diesen Anflug von Fröhlichkeit zu sehen, denn sie wusste, dass sie ihm kein Lächeln mehr auf die Lippen zaubern konnte. Dabei war es einst so einfach gewesen. Sein Lächeln würde schwinden, wenn er sie sähe, denn er verachtete sie – und das mit Recht.
Cecilia erhob sich von ihrem Platz und kam auf Beatrice zu. “Komm, setz dich zu mir”, sagte sie leise. “Ich werde dir etwas vorspielen.”
Beatrice war schon so lange nicht mehr in der Lage gewesen, etwas anderes als Schmerz und Scham zu verspüren; andere Gefühle mussten sich an ihrer verfinsterten Seele vorbeidrängen. Jetzt spürte sie, wie besorgt ihre Schwester um sie war, obwohl sie äußerlich gefasst schien. Sie hatte das Gefühl, Cecilia die Sorge nehmen zu müssen, konnte es aber nicht. “Es würde mir gefallen”, sagte sie und ergriff die Hand ihrer Schwester. Sanft drückte Cecilia ihre Hand, und ihre Finger waren warm und fest.
Als sie den Raum durchschritt, erregte sie Sebastians Aufmerksamkeit. Sein Lächeln schwand, und seine Miene wurde völlig ausdruckslos. Im Kerzenschein wirkten seine Augen so schwarz wie zwei Löcher in einer Maske. Jetzt beugte John sich zu ihm herüber und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Sebastian wandte den Blick von ihr, und seine Wangenmuskeln zuckten. Ihr Herz schlug wie ein gefangener Vogel flatternd gegen die Rippen und raubte ihr den Atem. Sie hatte überlebt, da sie in der harten Schule ihrer Ehe gelernt hatte, selbst die kleinste Veränderung im Gesichtsausdruck ihres Gemahls zu deuten. Sebastians Miene jedoch vermochte sie nicht ohne weiteres einzuschätzen. Wenn sie seine Züge nicht deuten konnte, wie sollte sie dann all das überleben?
Eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf flüsterte ihr zu:
Sebastian hat dich nie verletzt.
Sebastian hatte sie nie in seiner Gewalt gehabt. Vor der Heirat war Thomas durchweg freundlich und höflich zu ihr gewesen; danach – sie zuckte zusammen. Verzweifelt bemühte sie sich, nicht mehr an die Zeit
danach
zu denken.
Sie nahm neben Cecilia auf der Bank Platz und begann, ihre Röcke glatt zu streichen, bis sie sich in Erinnerung rief, dass sich niemand aufregen würde, wenn der Rock ein wenig unordentlich aussah. Wie lange würde es noch dauern, ehe sie damit aufhörte, ihren verstorbenen Ehemann zufrieden stellen zu wollen? Sie faltete die Hände im Schoß, um sie still zu halten und konnte nicht umhin, aus den Augenwinkeln einen Blick auf Sebastian zu werfen. Er lächelte John an, wobei er einen Mundwinkel höher zog als den anderen; diese Ungleichheit verlieh seinem Lächeln etwas Durchtriebenes. Ihr pochender Herzschlag drohte in einer Woge aus Sehnsucht und Schmerz unterzugehen, die ihr das Atmen schwer machte.
Lächele mich noch einmal so an wie früher.
Als er sie noch liebte, hatte der Zauber dieses verwegenen Lächelns sie mehr als einmal zu harmlosen Narreteien verleitet. Sie hätte alles für ihn getan.
Ich habe dich so geliebt.
Beatrice schluckte und schaute auf ihre Hände, die verkrampft in ihrem Schoß ruhten. Sie hatte ihn aufgegeben, weil sie feige gewesen war. Schlimmer noch, denn sie war ein Feigling gewesen, der vor Eitelkeit und Stolz zu bersten drohte.
“Was soll ich für dich spielen,
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