Die Burg der flammenden Herzen
sei die Witwe eines Mannes, den sie nicht geheiratet haben kann.”
Fragend starrte Sebastian ihn an, und sein Nacken prickelte wie vor einem drohenden Unheil. “Ich war Zeuge ihrer Vermählung, und Ceci begleitete sie. Willst du uns weismachen, dass wir nicht da waren und alles nur ein Traum war?”
“Nein. Ich bin sicher, dass eine Hochzeit stattgefunden hat. Aber ich sage dir, die Eheschließung war ungültig.”
“Ungültig? Mit welcher Begründung?”
“Da sie einem anderen Mann versprochen war”, entgegnete John. “Versprochen durch ein bindendes Verlöbnis.”
“Einem anderen Mann?” wiederholte Sebastian ungläubig. Sein Herz pochte laut in seinen Ohren. Er hatte geglaubt zu wissen, wozu Beatrice fähig war. Seine Vorahnung eines drohenden Unheils verstärkte sich. “Willst du andeuten, sie habe noch einen
anderen
Mann gekannt?”
“Von welchem anderen Mann redest du da?” fragte John mit zerfurchter Stirn und schüttelte den Kopf. “Sie ist mit dir verlobt, Sebastian.”
“Mit mir?” In der Halle herrschte eine unheimliche Stille.
“Hast du den Verstand verloren?” rief Beatrice schließlich. “Wir sind genauso wenig verlobt wie … Wir sind nicht verlobt. Glaubst du etwa, mir würde ein solcher Irrtum unterlaufen?”
“Oder mir?” setzte Sebastian nach. “Das ist nicht lustig, John.”
“Es ist kein Scherz, Sebastian, und ich finde es auch nicht spaßig. Erinnerst du dich nicht an den Vorabend des Dreikönigstages, als du uns mit deiner Familie in Wednesfield Gesellschaft geleistet hast? Ich stibitzte einen Krug Honigwein, den wir drei im alten Turm austranken. Du und Beatrice, ihr habt euch einander die Ehe versprochen, und dann haben wir alle gelacht und noch mehr von dem Wein getrunken.”
“Heilige Jungfrau”, sagte Beatrice und schloss die Augen.
“Ich kann mich nicht entsinnen …” Doch Sebastian erinnerte sich genau, sosehr er auch versuchte, jene Stunden zu vergessen. Einzelheiten, die er längst begraben glaubte, erhoben sich aus der Tiefe seines Gedächtnisses. Die Worte eines Gelübdes … “Ja, ich entsinne mich”, räumte er ein. “Aber was soll dieses törichte Gerede? Wir haben uns kein bindendes Versprechen gegeben.” Ein Versprechen, das gebrochen werden konnte, aber keines, das ihn verpflichtete.
“Ich erinnere mich indes an etwas anderes, Sebastian. Denk nach, was du gesagt hast, denk an die Worte, die du benutzt hast. Das Versprechen, das du gegeben hast, bindet dich.”
Beatrice ballte die Hände zu Fäusten, als wollte sie sich mit einem Schlag aus dieser Lage befreien. “Du bist kein Geistlicher. Wie kannst du dir da so sicher sein?”
Für einen Augenblick fragte Sebastian sich, ob er schlafe und Johns erschreckende Eröffnungen lediglich Teil eines Albtraums seien, aus dem er bald erwachen würde. Gewiss gehörte dieser Irrsinn in das Reich der Träume. Ansonsten wäre sein Leben innerhalb von fünf Minuten aus den Fugen geraten.
“Erinnerst du dich nicht? Du gelobtest, Sebastian zum Mann zu nehmen, und er versprach, dich zur Frau zu nehmen. Ihr beide habt etwas versprochen, ohne Bedingungen. Dadurch habt ihr euch ein verbindliches Eheversprechen gegeben”, sagte John. “Die letzten drei Jahre habe ich unter Kirchenmännern gelebt, Bea. Die Heilige Stadt Rom atmet geradezu den Geist des kanonischen Rechts. Ein Mann, der Ohren zum Hören hat, kommt dort nicht umhin, ein wenig zu lernen.”
Auch Sebastian war ein wenig mit dem kanonischen Recht vertraut. Daher wusste er, dass er nicht das getan hatte, was John behauptete. “Wir haben die Ehe nicht vollzogen. Daher kann das Versprechen nicht bindend sein.”
“Das tut in diesem Fall nichts zur Sache. Selbst wenn du nie mit ihr das Bett geteilt hast, ist sie vor Gott immer noch deine Frau”, erklärte John freundlich.
“Ich kann das nicht glauben”, sagte Beatrice. Sie setzte sich auf eine der Bänke, die an der Wand standen, legte den Kopf in den Nacken und faltete die Hände im Schoß. Für einen Moment wollte Sebastian neben ihr Platz nehmen, als ihr Gefährte im Unglück. Aber er konnte es nicht, da sie ihn verraten und den Pfad der Ehre so leichtfertig verlassen hatte, als habe sie sich von einem Kleid trennen wollen, das ihr nicht länger passte.
Er musste schnell etwas unternehmen, um das Unheil abzuwenden.
“Ich bin mit Cecilia verlobt”, sagte er.
“Das ist unmöglich”, meinte John.
“Hör auf zu lügen, Sebastian”, warf Cecilia im selben Augenblick ein.
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