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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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bevor er ihn dann doch nur wieder versoff. Nun, wenigstens hatte er die Rüstung und die Waffen noch. Das Schwert, den Streitkolben, die Lanze und den unterarmlangen, einst vom guten Hans Wielenbach geschmiedeten Parierdolch. Nicht wenige Ritter mussten in diesen harten Zeiten ihre gesamte Ausrüstung verkaufen und waren kaum mehr als Bauern, die in zerfetzten Kleidern auf zugigen Burgruinen wohnten. Erst letztes Jahr hatten sich viele von ihnen in einem sinnlosen Aufstand gegen das Reich zerrieben oder waren Raubritter geworden.
    Nur er hatte durchgehalten, trotz aller Widrigkeiten.
    Erfenstein lächelte, und sein Gesicht auf der Klinge verschwamm zu einer schillernden Pfütze. Vielleicht würde ja doch noch alles gut werden. Der Kampf gegen den Schwarzen Hans war seine letzte Chance, den Trifels zu halten. Er würde sie nutzen. Dank dieses jungen Heißblüters Mathis konnten sie Wertingens Burg vielleicht wirklich schleifen, dann wäre er zumindest für dieses Jahr seine Schulden los. Außerdem hatte ihm sein neuer Nachbar, der junge Graf von Scharfen­eck, eine äußerst großzügige Aufteilung der Beute zuge­sichert. So großzügig, dass Erfenstein zunächst stutzte, weil er es nicht wahrhaben wollte. Vielleicht war es auch nur ein böser Scherz des dünkelhaften Jünglings, um sich über ihn, den alten Ritter, lustig zu machen. Oder verfolgte der Graf etwa ganz andere Pläne?
    Entschlossen rammte Philipp von Erfenstein das Schwert zurück in die Scheide. Er hatte noch nicht aufgegeben. Diesen einen Kampf noch, und er und Agnes waren wieder zurück auf der Seite der Sieger.
    ***
    Tatsächlich sorgte Pater Tristan dafür, dass Agnes in den nächsten Tagen kaum dazu kam, sich über das Gespräch in der Bibliothek weiter Gedanken zu machen. Auch fand sich keine Gelegenheit, erneut in jenem mysteriösen Geheimfach zu stöbern. Ein böses Fieber ging in den Dörfern und Weilern rund um den Trifels um, es befiel vor allem alte Menschen und kleine Kinder. Agnes braute viele Töpfe voll mit aromatisch duftendem Sud aus Ehrenpreis und Weidenrinde, sie machte kalte Leinenumschläge und legte sie in Essig getränkt auf die heißen Stirnen. Doch weder sie noch Pater Tristan konnten verhindern, dass dem Fieber innerhalb einer Woche fast ein Dutzend Menschen zum Opfer fielen, die meisten davon Kinder. Sie schwanden dahin wie Schnee in der Sonne.
    Einmal mehr wunderte sich Agnes, wie gleichgültig manche Eltern den Tod ihrer kleinen Tochter oder ihres Sohnes hinnahmen. Der Herr gab die Kindlein, und er nahm sie auch wieder. Vor allem in den ersten Lebensjahren starben so viele, dass die Menschen es ertrugen wie Hagel oder einen bösen Sturm. Hauptsache, die Kleinen waren getauft und kamen so in den Himmel.
    Agnes musste daran denken, wie Mathis über die Kirche und den Papst schimpfte. Mit vielem, was er sagte, mochte er recht haben, doch die einfachen Bauern ließen sich in ihrer Frömmigkeit nicht erschüttern. Sie fluchten gelegentlich über die fetten, gutgenährten Pfaffen, aber sie sprachen weiter ihre Gebete und gingen brav in ihre Dorfkirche.
    Mathis ging ihr in diesen Tagen gezielt aus dem Weg. Meist war er drüben im Eußerthal in seiner Geschützschmiede oder im Wald bei den Meilern, um für Nachschub an Holzkohle zu sorgen. Ein paarmal hatte Agnes bereits versucht, sich bei Mathis wegen ihres dummen Verdachts zu entschuldigen. Doch jedes Mal war er ihr nur mürrisch ausgewichen.
    Am Abend des fünften Tages nach ihrem Streit traf sie ihn endlich einmal allein in der kleinen schäbigen Werkstatt neben dem Haus seiner Eltern, wo er gerade ein paar Hufeisen fertigte. Nach der Arbeit an den Geschützen für die kommende Belagerung war Mathis oft noch stundenlang mit diversen Aufträgen in der Burgschmiede beschäftigt. Sein Vater konnte schon seit Wochen nicht mehr an der Esse stehen. Mit dem Hammer schlug Mathis kraftvoll auf das glühende Eisen. Er schien Agnes, die sich ihm zaghaft näherte, nicht zu hören.
    »Mathis, es … es tut mir leid«, begann sie leise.
    Mathis hielt kurz mit dem Hämmern inne, doch er wandte sich nicht zu ihr um. »Was tut dir leid?«, fragte er grimmig.
    »Nun, dass ich dich als Mörder von Heidelsheim verdächtigt habe. Verzeihst du mir?«
    Erneut drosch Mathis auf das Hufeisen ein, seine Worte gingen dabei im Lärm fast unter. »Wenn du dir das wirklich vorstellen kannst, brauchst du dich nicht dafür zu entschuldigen. Offenbar hältst du mich ja für einen Mörder und Halsabschneider.

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