Die Burg der Könige
Wieso auch nicht? Ich bin ja nichts weiter als ein grober, ungebildeter Schmied.«
»Mathis! Nun ist es aber gut!« Sie packte ihn so heftig an der Schulter, dass er beinahe nach hinten umfiel. »Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe, und ich habe mich dafür entschuldigt, das muss reichen«, fuhr sie zornig fort. »Du warst auch nicht gerade nett zu mir.«
Zum ersten Mal sah sich Mathis nun zu ihr um, er grinste breit. Sein Ärger war plötzlich wie weggeblasen. »Ich hatte fast den Eindruck, du hast geglaubt, ich wäre eifersüchtig«, sagte er augenzwinkernd. »Das würde dir gefallen, nicht wahr?«
»Du … du Mistkerl!« Agnes gab ihm einen weiteren Schubs, so dass er diesmal tatsächlich auf dem Hosenboden landete. »Vergiss es einfach!«, zischte sie. »Du bist es ja gar nicht wert, dass ich mich deinetwegen von meinem Vater verprügeln lasse.«
Mathis hob entschuldigend die Hände, noch immer grinste er spöttisch. »Wenn dein Vater uns hier sieht, könnte das schon geschehen. Allerdings wird er wohl eher mich windelweich schlagen und nicht dich. Offenbar bin ich nicht ganz der richtige Umgang für dich.« Er stand auf und wischte sich die von Öl und Asche schmutzigen Hände an seiner Lederschürze ab. »Was hältst du davon, wenn wir hinüber zum Anebos gehen, so wie wir es früher öfter gemacht haben? Dort sind wir ungestört, und du kannst mir in aller Ruhe die Leviten lesen.« Prüfend blickte er zum Himmel, der mittlerweile rot vom Licht der untergehenden Sonne war. »Es ist ohnehin bald zu dunkel für die Arbeit.«
Agnes lächelte. »Das ist der beste Gedanke, den du seit langem hattest«, erwiderte sie erleichtert. Dann machten sie sich auf den Weg zum benachbarten Waldhügel.
Während sie den schmalen ausgetretenen Pfad entlanggingen, musste Agnes daran denken, wie oft sie als Kind mit Mathis auf dem Anebos gewesen war. Auf dem Bild in der Trifels-Chronik hatte Agnes gesehen, dass dort früher einmal eine kleine Burg gestanden hatte, doch mittlerweile sah die Ruine eher wie ein natürlicher Felsen aus, der die Form eines riesenhaften Ambosses hatte und deshalb auch so genannt wurde.
Als sie ein wenig außer Atem endlich oben anlangten, war die Sonne hinter den westlichen Hügeln untergegangen, und ein funkelnder Sternenhimmel stand über ihnen. Der Vollmond, der soeben aufging, tauchte die ganze Lichtung in ein fahles, gespenstisches Licht. In der Mitte des von hohen Buchen umringten Platzes stand die über zehn Schritt hohe Felssäule, ringsum verstreut lagen einige weitere Felsbrocken. An einigen Stellen waren noch die Grundrissmauern zu erkennen, ansonsten deutete nichts mehr auf die einstige Burg hin.
Unter der Säule befand sich eine von Regen und Sturm ausgewaschene Höhlung, in der sie sich schon als Kinder gerne versteckt hatten. Auch jetzt kauerten sie sich nebeneinander hinein und beobachteten von dort aus den Sternenhimmel, aus dem immer wieder kleine Sternschnuppen fielen. Agnes schmiegte sich ganz dicht an Mathis, sie roch den Rauch des Schmiedefeuers in seinen Haaren.
»Wie geht es deinem Vater?«, fragte sie.
Mathis atmete tief durch. »Es kommt jetzt immer öfter vor, dass er Blut spuckt«, erwiderte er zögernd. »Pater Tristan hat ihm zwar heute früh noch einmal getrocknetes Bachkraut gegeben, aber er glaubt nicht, dass die Arznei etwas bewirkt. Er sagt, das käme von der langen Arbeit an der Esse. Meine Mutter heult sich die Augen aus.«
»Ich habe in den letzten Tagen ein paarmal versucht, mit dir zu reden«, sagte Agnes leise. »Auch über meinen eigenen Vater. Ich habe das dumpfe Gefühl, er brütet schon wieder irgendwas aus. Aber du warst offenbar immer zu beschäftigt.«
»Du weißt, ich hab die Lafette bauen müssen«, erwiderte Mathis ein wenig ruppig. »Vergiss nicht, dass dein Vater mich jederzeit wieder einsperren kann, wenn er mit mir nicht zufrieden ist. Außerdem warst du selbst ständig mit Pater Tristan unterwegs.«
Agnes lehnte ihren Kopf an seine Schulter, so wie sie es früher als Kind im Heu immer getan hatte. »Du hast ja recht«, sagte sie seufzend. »Es ist dieses Fieber. Die Leute brauchen Hilfe, und gerade jetzt ist die Hebamme Elsbeth Rechsteiner wie vom Erdboden verschwunden. Niemand weiß, wo sie sein könnte.«
Mathis runzelte die Stirn. »Vielleicht hat sie ja Hans von Wertingen auf dem Gewissen. Dieser Teufel wagt sich jetzt immer tiefer in unsere Wälder. Das würd’ ich ihm zutrauen, dass er sogar einem alten Weib die Kehle
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