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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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noch immer genug Munition übrig behalten, um
am Nachmittag ein paar Zielübungen zu veranstalten. Mit
ihren Ressourcen hätte sie zu den Zeiten, als die Erde noch
in Privatbesitz war, alles kaufen können – und
hätte noch immer genügend Kleingeld
zurückbehalten, um großzügig zu spenden und
unsere Menschenmacht gegen den armseligen Zorn der Götter
auszuspielen.
    Mit anderen Worten… die Division war dazu da, den
posthumanen Menschen in den Arsch zu treten. Und das taten wir
auch.
    (Ja, ich bin noch immer stolz darauf.)
    *
    Die Südafrikanerin mochte vielleicht eigenartige
Vorstellungen von Wladimir Iljitsch haben, war aber, wie sich
herausstellte, eine ›alte Genossin‹. Obwohl die
Internationale längst in der Union aufgegangen war, hielten
die ehemaligen Mitglieder miteinander Kontakt, eine Art
Freimaurergesellschaft der Veteranen. Ich hatte das stets
missbilligt, hier aber gereichte es mir zum Vorteil. Die Frau
stellte mich einem ihrer Freunde vor, der mich jemand anderem
vorstellte, und so weiter. Aufgrund einer unausgesprochenen
Vereinbarung reichten sie mich weiter, sodass ich in dem
Gewühl rascher vorankam, als ich es aus eigener Kraft
geschafft hätte. Anderthalb Stunden nachdem ich den Kaffee
getrunken hatte, stand ich vor einer kleinen Menschenansammlung,
in deren Mitte sich die Ehrengäste der Party befanden: die
künstliche Frau und der Mann, der von den Sternen und von
den Toten zurückgekehrt war. Fünf Jahre nach ihrer
Ankunft waren sie noch immer ein Publikumsmagnet – das umso
mehr, als sie nur selten auf Partys gingen und stattdessen lieber
umherzogen und sich mit Zufallsbekanntschaften unterhielten.
    Die künstliche Frau hieß Meg. Im Moment wirkte sie
gar nicht künstlich, und ihr Körper – angeblich
der Klon einer längst verstorbenen malayisch-amerikanischen
Pornodarstellerin – war in mancherlei Hinsicht
natürlicher als der meine. Bloß ihre
Persönlichkeit war künstlich. Dabei handelte es sich um
eine in jeder Hinsicht menschliche Persönlichkeit, die
jedoch – wie sie stets beteuerte – einer
künstlichen Intelligenz aufgepfropft war.
    Somit war die kleine, gut aussehende Frau, die wenige Meter
von mir entfernt mit eleganter Gestik eine Tabakzigarette
rauchte, der das schwarze Haar bis auf die Hüfte fiel und
die ein langes schwarzes Seidenhemd und (wenn ich mich nicht
täuschte) nichts darunter trug, die einzige autonome
AI auf Erden. Ein verstörender Gedanke, der mir zusetzte,
seit ich ihr zum ersten Mal begegnet war.
    Die autonome AI hatte mich noch nicht bemerkt. Sie blickte
ihren Begleiter an, Jonathan Wilde, den Mann, der
zurückgekehrt war. Wilde redete wie gewöhnlich; wie
gewöhnlich gestikulierte er; wie gewöhnlich rauchte er
Tabak, eine Unsitte, die ihm und Meg anscheinend einprogrammiert
war. Er war ein großer Mann mit scharf geschnittenem
Gesicht, Hakennase, lauter Stimme. Sein Akzent hatte sich
verändert, klang aber immer noch fremdartig.
    »… bin ich ihm eigentlich nie begegnet«,
sagte er gerade, »aber ich habe ihn im Fernsehen gesehen
und einige der Schriften gelesen, die er während der
Herbstrevolution verfasst hat. Ich muss sagen, es überrascht
mich, dass man sich überhaupt noch an ihn erinnert.«
Er stockte, lächelte wehmütig. »Zumal ich
vergessen wurde!«
    Die Leute lachten. Es war einer von Wildes Standardscherzen
– oder vielmehr einer des Menschen, dessen Kopie er war
–, dass die Ideen, die er im einundzwanzigsten Jahrhundert
entwickelt hatte, mittlerweile nur noch Antiquaren geläufig
wären und sein Name nurmehr eine Fußnote in der
Geschichte der Weltraumbewegung. Dies schmeichelte aus
irgendeinem Grund seiner Eitelkeit.
    Wie er so grinsend dastand, bemerkte er auf einmal mich. Er
starrte mich an, als sei er vorübergehend aus dem Konzept
geraten. Meg drehte sich um und lächelte mich einladend an.
Wilde nickte leicht und fuhr mit seinem Diskurs fort. Ich wusste
nicht, ob ich mich gekränkt oder erleichtert fühlen
sollte. Als der erste Mensch, dem er nach seinem Auftauchen aus
dem Wurmloch begegnet war, spielte ich eine gewisse Rolle in
seinem Leben… trotzdem wollte ich nicht, dass er dies
bekannt gab und damit öffentlich machte, woher ich kam.
    Meg näherte sich mir und fasste mich bei den
Händen.
    »Schön, Sie wiederzusehen, Ellen.«
    »Ja, ebenfalls«, sagte ich, was ganz ehrlich
gemeint war. Ihre Persönlichkeit mochte zwar künstlich
sein, wirkte

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