Die Catilina Verschwoerung
einem Ringkampf heraus, und alle rannten in den Hof hinaus. Nach einem Sprung in das kalte Becken war mein Kopf fast wieder klar. Nachdem ich von zwei Bademeistern heftig abgerieben und durchgeknetet worden war, fühlte ich mich imstande, den weiteren Gängen des Festmahls entgegen zusehen.
Auf der Straße vor dem Bad hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Mit Blick auf den Garten sangen sie Lobpreis und Glückwünsche für den Triumphator. Einige der Gesänge waren so alt, daß niemand mehr wußte, was die Worte bedeuteten. Ich wollte mir gerade einen Weg in den Garten bahnen, als ich eine einsame Gestalt auf dem Podest einer FloraStatue stehen sah, die in einer Nische zwischen dem Bad und dem neuen Tempel der Minerva aufgestellt war. Der Mann stand eigenartig aufrecht, und selbst im Halbdunkel der Nische kam er mir bekannt vor. Neugierig ging ich zu dem Sockel und sah auf.
»Konsul?« fragte ich.
Cicero blickte nach unten. »Ist das Decius Metellus? Komm herauf und leiste mir Gesellschaft.« Verblüfft ging ich hinter die Statue, von wo Treppen auf das Podest führten. Die Floralia lagen schon fast vier Monate zurück, aber das Standbild der Göttin war mit frischen Blumen geschmückt. Der Duft raubte einem fast die Sinne.
Ich griff nach einer Falte des Umhangs der Göttin, um Halt zu finden, und arbeitete mich um die Statue herum.
Cicero betrachtete den Himmel. Er war sehr still und wirkte gar nicht so, wie man ihn von seinen öffentlichen Auftritten kannte. »Hier, abseits des Fackellichts«, sagte er, »kann man heute nacht wunderbar die Sterne beobachten. Ich betrachte sie jede Nacht.«
»Mein Vater hat mir beigebracht, das Augurium zu lesen«, sagte ich, »aber mit Ausnahme von Sternschnuppen kommen die Sterne darin nicht vor. Ich fürchte, er hält Sterndeuten für orientalischen Mummenschanz.«
»Das denken viele Römer, aber ich glaube, sie haben unrecht.
Ich habe Schriften aus Ägypten und Persien studiert; die Griechen, ja sogar die wilden Druiden, alle sind sich darin einig, daß die Sterne einen großen Einfluß auf uns ausüben. Vor allem der da.« Cicero wies in den Himmel, und es war klar, welchen er meinte. Es war der bei weitem hellste und röteste Stern, der wie ein leuchtender Blutstropfen zwischen den juwelenartigen weißen Punkten hing.
»Den kenne sogar ich«, sagte ich. »Sirius, der Hundsstern, der Schutzstern dieser Jahreszeit, der Hundstage des Spätsommers.«
»Warum fürchten wir uns vor diesem Stern? Warum hat er einen so schlechten Ruf?«
»Ich dachte, es sei, weil die Hundstage die Tage der Pest sind und den Anfang der Herbststürme bezeichnen.« Es schien mir ein seltsames Thema an einem so feierlichen Tag.
»Das stimmt, aber das ist nicht alles. Zum Fest dieser gütigen Göttin« - Cicero tätschelte das Knie der Statue - »opfern wir rote Hunde, um diesen Stern zu besänftigen. Das Gleiche tun wir auch an den Robigalia, wenn wir ihren männlichen Gegenpart ehren. Warum tun wir das?«
Ich zuckte die Schultern und sehnte mich nach einem Becher des vorzüglichen Caecubers. »Es sind uralte Gottheiten«, sagte ich. »Wir begehen eine ganze Menge Bräuche, die wir nicht mehr verstehen.«
»Das ist wahr. Und es ist auch wahr, daß der Sirius seit Menschengedenken nicht mehr so rot war wie in diesem Sommer.«
In der Ferne konnte man über dem Gesang der Menge schwach die Herolde vernehmen, die die Fortsetzung des Festmahls ankündigten. Erleichtert stieg ich hinab und half Cicero nach unten. Er brauchte meine Hilfe, nicht weil er schwächlich war. Er war damals erst dreiundvierzig, erstaunlich jung für einen Konsul. Er brauchte Hilfe, weil seine Toga so unbequem geschnitten war. Sie war außerdem so weiß, daß sie im Dunkel der Nische fast leuchtete.
Während wir uns einen Weg durch die Menge bahnten, dachte ich über das nach, was er gesagt hatte. Mehr noch als andere Völker leben die Römer mit Zeichen und Vorzeichen. Ich kenne kein anderes Volk, das sich zu ihrer Deutung zwei verschiedene Priesterorden hält. Weder im öffentlichen noch im privaten Leben unternehmen wir etwas, ohne vorher die Auguren und die Haruspices befragt zu haben. Wenn sonst nichts hilft, befragen wir die Sybillinischen Bücher, wozu wir ein fünfzehnköpfiges Kollegium unterhalten, das ermächtigt ist, in Zeiten nationaler Gefahr hineinzusehen. Neben diesen eher ernsthaften Angelegenheiten ist das Volk Roms, vom Konsul bis zum Sklaven, absolut verrückt nach Vorzeichen, die es an
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