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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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war. Sie war davon überzeugt, dass der Vergewaltiger Sperma an ihrer Bettwäsche und ihren Kleidern hinterlassen hatte, und verbrachte jeden Tag Stunden damit, alles wieder und wieder zu waschen. Wer auch immer Nina Peyton vorher gewesen war, diese Frau war nun tot. Was ich an ihrer Stelle erblickte, war ein Gespenst.« Sarahs Stimme war immer leiser geworden; sie saß vollkommen reglos da und starrte Rizzoli an. Es war eine andere Frau, die sie auf diesem Stuhl sah. Eine ganze Reihe anderer Frauen, anderer Gesichter, anderer Gespenster; eine Prozession der Versehrten.
    »Sagte sie irgendetwas davon, dass sie belästigt worden sei? Dass der Täter wieder in ihrem Leben aufgetaucht sei?«
    »Ein Vergewaltiger verschwindet nie aus Ihrem Leben. Solange Sie leben, bleiben Sie immer sein Eigentum.« Sarah hielt inne. Und fügte bitter hinzu: »Vielleicht ist er nur gekommen, um sich zu holen, was ihm gehörte.«

9
    Es waren keine Jungfrauen, die von den Wikingern geopfert wurden, sondern Huren.
    Im Jahre des Herrn 922 wurde der arabische Diplomat Ibn Fadian Zeuge einer solchen Opferzeremonie bei einem Volk, welches er als Rus bezeichnete. Er beschrieb sie als hochgewachsene, blonde Männer von vollendetem Wuchs, die von Schweden her über die russischen Flüsse nach Süden reisten, zu den Märkten von Kazaria und dem Kalifat, wo sie Bernstein und Felle gegen Seide und Silber aus Byzanz eintauschten. Auf dieser Handelsroute, in einem Ort namens Bulgar an der Biegung der Wolga, geschah es, dass ein verstorbener Wikinger, der ein sehr bedeutender Mann gewesen war, auf seine letzte Reise nach Walhalla vorbereitet wurde.
    Ibn Fadlan war bei der Totenfeier anwesend.
    Das Schiff des Toten wurde an Land gezogen und auf Birkenpfähle gesetzt. Auf Deck wurde ein Zelt errichtet, in dem sich eine mit griechischem Brokat bezogene Liege befand. Dann wurde der Leichnam, der schon zehn Tage zuvor beerdigt worden war, wieder ausgegraben.
    Zu Ibn Fadians Überraschung strömte das geschwärzte Fleisch keinen Geruch aus.
    Die frisch ausgegrabene Leiche wurde nun in erlesene Gewänder gekleidet: Hosen und Strümpfe, Stiefel und Rock sowie ein Kaftan aus Brokat mit goldenen Knöpfen. Sie trugen den Toten in das Zelt und platzierten ihn, mit Kissen gestützt, in sitzender Haltung auf der Matratze. Um ihn herum stellten sie Schüsseln und Schalen mit Brot, Fleisch und Zwiebeln auf, dazu berauschende Getränke und süß duftende Pflanzen. Sie schlachteten einen Hund und zwei Pferde, einen Hahn und ein Huhn, und auch diese brachten sie in das Zelt, damit in Walhalla für alle seine Bedürfnisse gesorgt sei.
    Zuletzt brachten sie das Sklavenmädchen.
    Während der zehn Tage, die der Tote in der Erde gelegen hatte, war das Mädchen zur Hurerei gezwungen worden. Man hatte sie mit Alkohol betäubt und sie von Zelt zu Zelt gezerrt, wo sie nacheinander jedem Mann im Lager zu Willen sein musste. Mit gespreizten Beinen lag sie da, um von einem schwitzenden, grunzenden Mann nach dem anderen bestiegen zu werden, und ihr geschundener Körper war das Gefäß, in das sich der Samen aller männlichen Stammesangehörigen ergoss. Solchermaßen geschändet und befleckt, war ihr Körper nun bereit für die Opferzeremonie.
    Am zehnten Tag wurde sie auf das Schiff gebracht, begleitet von einer älteren Frau, die man den Engel des Todes nannte. Das Mädchen legte seine Armbänder und Ringe ab. Sie trank in tiefen Zügen, um ihre Sinne zu berauschen. Dann wurde sie in das Zelt gebracht, in dem der tote Mann saß.
    Und dort, auf der brokatbezogenen Matratze, wurde sie erneut geschändet. Sechsmal, von sechs verschiedenen Männern. Ihr Körper wurde herumgereicht wie ein Stück Fleisch beim Abendmahl. Und als es vollbracht war, als der Appetit der Männer gestillt war, wurde das Mädchen an die Seite ihres toten Herrn gelegt. Zwei Männer hielten ihre Füße fest, zwei ihre Hände, und der Engel des Todes schlang einen Strick um den Hals des Mädchens. Während die Männer den Strick stramm zogen, hob der Engel den Dolch mit der breiten Klinge und stieß ihn dem Mädchen in die Brust.
    Wieder und wieder senkte sich die Klinge herab, und das Blut spritzte hervor, so wie ein ächzender, grunzender Mann seinen Samen verspritzt. Spitzes Metall bohrte sich in zartes Fleisch, und so wiederholte der Dolch den vorausgegangenen Akt der Schändung.
    Eine brünstige Ekstase der Gewalt, die mit dem letzten Stoß in der Verzückung des Todes gipfelte.
     
    »Es waren massive Blut-

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