Die Chronik der Drachenlanze 3 + 4
Sattel.
»Leb wohl, Lauralanthalasa«, rief sie.
Sie hob die Drachenlanze in die Luft und befahl Skie zu fliegen. Der riesige blaue Drache spreizte seine Flügel und erhob sich mühelos in die Luft. Ihn geschickt lenkend, flog Kitiara genau über Laurana.
Das Elfenmädchen sah in die feuerroten Augen des Drachen. Sie sah die verwundete, blutige Nüster, das geöffnete Maul zu einem bösartigen Knurren verzerrt. Auf seinem Rücken saß zwischen seinen Flügeln Kitiara – ihre Drachenschuppenrüstung glitzerte, die gehörnte Maske funkelte in der Sonne. Die Spitze der Drachenlanze blitzte im Sonnenlicht auf.
Dann fiel die Drachenlanze aus der behandschuhten Hand der Drachenfürstin. Sie schlug auf den Steinen auf und landete vor Lauranas Füßen.
»Behalte sie«, rief Kitiara ihr zu. »Du wirst sie nötig haben!«
Der blaue Drache bewegte seine Flügel, flog in den Himmel und verschwand in der Sonne.
Die Beerdigung
D ie winterliche Nacht war dunkel und sternenlos. Der Wind hatte sich in einen Sturm verwandelt, der Graupel und Schnee mit sich brachte und die Rüstung mit der Schärfe von Pfeilen durchbohrte und Blut und Geist einfror. Niemand mußte Wache stehen. Ein Mann auf den Zinnen des Turms des Oberklerikers wäre auf seinem Posten erfroren.
Es bestand auch keine Notwendigkeit für eine Wache. Den ganzen Tag über hatten die Ritter über die Ebenen gestarrt, aber es gab für die Rückkehr der Drachenarmee keinerlei Anzeichen.
In dieser winterlichen Nacht, als der Wind durch die Ruinen des Turms wie das Kreischen der sterbenden Drachen heulte, begruben die Ritter von Solamnia ihre Toten.
Die Leichname wurden in eine höhlenartige Grabesstätte neben dem Turm getragen. Vor Urzeiten war sie für die Toten der Ritterschaft verwendet worden. Aber das war zu Zeiten gewesen, als Huma auf dem Schlachtfeld in einen glorreichen Tod geritten war. Die Grabesstätte wäre ohne die Neugierde eines Kenders weiterhin vergessen geblieben.
Die Grabesstätte, Kammer des Paladin genannt, war ein großer viereckiger Raum, der tief unter dem Boden gebaut worden war, so daß sie bei der Zerstörung des Turms keinen Schaden genommen hatte. Eine lange, schmale Treppe führte von zwei riesigen Eisentoren, versehen mit dem Symbol von Paladin – der Platindrache, das uralte Symbol für Tod und Wiedergeburt –, nach unten. Die Ritter brachten Fackeln in die Kammer und stellten sie in verrostete Eisenhalter an den bröckelnden Steinmauern.
An den Wänden des Raumes reihten sich die Steinsärge der Toten. Über jedem Sarg hing ein Eisenschild, in den der Name des toten Ritters, der seiner Familie und sein Todestag eingraviert waren. Zwischen den Sargreihen führte ein Durchgang zu einem Marmoraltar in der Apsis des Raumes. In diesem mittleren Gang der Kammer des Paladin bestatteten die Ritter ihre Toten.
Es war keine Zeit gewesen, Särge zu bauen.Alle wußten, daß die Drachenarmee zurückkehren würde. Die Ritter mußten die Zeit nutzen, um die zerstörten Mauern der Festung zu richten. Sie trugen die Leichname ihrer Kameraden hinunter in die Kammer des Paladin, legten sie in langen Reihen auf den kalten Steinboden und bedeckten sie mit uralten Leichentüchern. Das Schwert jedes toten Ritters wurde auf seine Brust gelegt, während etwas aus dem Besitz des Feindes – ein Pfeil, ein zerbeulter Schild oder die Klaue eines Drachen – zu seinen Füßen gelegt wurde.
Nachdem die Leichname in der Kammer waren, versammelten
sich die Ritter. Sie standen bei den Toten, jeder neben dem Leichnam eines Freundes, eines Kameraden, eines Bruders. Es war so still, daß jeder Mann sein eigenes Herz schlagen hören konnte, als die letzten drei Leichname nach unten gebracht wurden. Sie wurden auf Bahren getragen und von einer Ehrenwache begleitet.
Eigentlich hätte ein großes Begräbnis stattfinden müssen, mit allem Drum und Dran, wie es der Maßstab vorschreibt. Am Altar hätte der Großmeister, in die zeremonielle Rüstung gekleidet, stehen müssen. Neben ihm hätte der Oberkleriker in Rüstung und der weißen Robe eines Klerikers von Paladin stehen müssen. Und der Hochrichter hätte da sein müssen, mit seiner Rüstung und der schwarzen Robe der Gerechtigkeit. Der Altar hätte mit Rosen geschmückt sein müssen, mit den goldenen Emblemen des Eisvogels, der Krone und des Schwerts.
Aber am Altar stand nur ein Elfenmädchen in einer Rüstung, die zerbeult und blutverschmiert war. Neben ihr standen ein alter Zwerg, den Kopf in
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