Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
erschlaffte.
Seelenruhig riss der Nubier eine Handvoll Schilf aus, um seine Klinge damit zu reinigen, bevor er zu Andrej zurückkam, um ihm aufzuhelfen.
»Wie soll man das jetzt nennen, Hexenmeister?«, fragte er.
»Wahre Liebe oder wahrer Irrsinn-falls das überhaupt ein Unterschied ist, meine ich?«
Andrej griff zwar nach seiner ausgestreckten Hand und ließ sich von ihm in die Höhe und die wenigen Schritte das Ufer hinaufziehen, riss sich dann aber los und bedachte ihn mit dem verächtlichsten Blick, den er in diesem Moment zustande brachte. Vielleicht warerauch einfach nur müde.
»Wieso hat das so lange gedauert?«, fragte er. »Wolltest du es spannend machen, oder warst du mit etwas Wichtigerem beschäftigt?«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet«, erwiderte Abu Dun.
Andrej tat es auch jetzt nicht. Stattdessen musterte er Abu Dun, der aus mehreren Wunden blutete, die nur oberflächlich zu sein schienen. Doch zumindest eine davon hatte Andrej schon vorhin auf dem Schiff gesehen, und das hätte nicht sein sollen. Außerdem war da etwas im Blick des Nubiers, das ihm nicht gefiel. Er konnte es nicht definieren, aber es war nichts Gutes, und es war nicht das erste Mal, dass er es sah.
Statt es jedoch auszusprechen, fuhr er sich mit beiden Händen über die Brust, wie um das Wasser aus seiner Kleidung zu drücken, machte einen unnötig großen Schritt um das erschlagene Krokodil herum und ging dann zu Murida.
Sie hatte sich auf Hände und Knie hochgestemmt, und das schwarze Haar hing ihr in verklebten nassen Strähnen ins Gesicht. Blut lief aus einer hässlichen Platzwunde an ihrer Stirn und färbte die eine Seite ihres Gesichtes rosa, was die unnatürliche Blässe der anderen noch betonte. Ihre Augen waren trüb. Obwohl sie direkt in seine Richtung blickte, schien sie ihn nicht zu erkennen. Andrejs Besorgnis nahm noch einmal zu.
Mit wenigen Schritten war er bei ihr, ließ sich auf ein Knie sinken und streckte die Hand aus, und jetzt reagierte das Mädchen, wenn auch anders, als er sich gewünscht hätte: Sie zuckte erschrocken zusammen, und eine Mischung aus Angst und blankem Hass erschien in ihrem Blick. »Bist du verletzt?«, fragte er.
Murida wich vor ihm zurück, und aus der Furcht in ihren dunklen Augen wurde etwas anderes, das sich wie eine Dolchklinge in sein Herz grub. »Rührmichnichtan!«, stammelte sie. »Du –«
»Aber ich bin nicht dein Feind! Ich helfe dir! Verdammt, Murida – erkennst du mich denn nicht?« Erneut griff er nach ihr, bekam ihren Arm zu fassen und zog sie mit nicht nur sanfter Gewalt an sich heran. Da griff Murida mit der freien Hand unter ihren Mantel, holte etwas Winziges und Blitzendes hervor und rammte es in sein Handgelenk. Die Dolchklinge war kaum länger als sein kleiner Finger, aber so scharf wie ein Rasiermesser und durchbohrte seinen Arm nahezu widerstandslos. Andrej schrie vor Schmerz und Überraschung auf, ließ ihre Hand los, und Murida sprang blitzartig auf die Füße und rannte davon, noch bevor er abermals nach ihr greifen konnte. Fluchend riss er das Messer aus seinem Arm und stürzte hinter ihr her, blieb aber schon nach zwei Schritten wieder stehen.
Haken schlagend rannte Murida die Uferböschung hinauf. Von oben kamen ihr fast ein Dutzend Männer auf Kamelen entgegen, die schwarze Mäntel und gleichfarbige Turbane trugen und Schwerter, Speere und andere Waffen schwangen. Einer von ihnen feuerte gar eine Muskete ab. Der Schuss ging nicht einmal in ihre Richtung – der Rückstoß der plumpen Waffe hätte den Reiter dafür fast aus dem Sattel geschleudert-, aber er erinnerte Andrej daran, dass es noch nicht vorbei war. Hinter ihnen hielt das feurige Sterben des Schiffes noch immer an, und von den zahlreichen Männern, die auf die eine oder andere Weise das Ufer erreicht hatten, blieben nur sehr wenige erschöpft liegen oder suchten ihr Heil in der Flucht. Kaum der einen Gefahr entronnen, griffen die meisten sofort wieder nach ihren Waffen und stürzten sich erneut in den Kampf wobei sich Andrej mit wachsender Verwirrung fragte, wie die Soldaten und Machdiji eigentlich Freund und Feind auseinanderhielten. Beide Seiten waren von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, und selbst ihre Bewaffnung unterschied sich kaum, auch wenn die der Janitscharen professioneller war.
Die Kamelreiter jedenfalls, die auf Abu Dun und ihn lossprengten, schienen sie sicher als Feind identifiziert zu haben. Einige wenige hielten weiter gerade auf sie zu, ein anderer Trupp aber
Weitere Kostenlose Bücher