Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
schleuderte. Die kleine Dau hüpfte so wild hin und her, dass er drei Anläufe brauchte, um seinen Fuß loszureißen und aufzuspringen. Zuerst konnte er Murida nirgendwo sehen, denn ein halbes Dutzend Gestalten war im vorderen Teil des Bootes übereinander gefallen, und überall war Blut. Dann gewahrte er sie doch, machte einen raschen Schritt und stürzte schon wieder, als das winzige Boot wie von der Hand eines unsichtbaren Riesen gepackt und in die Höhe gehoben wurde.
Die Elisa fiel endgültig auf die Seite, und die ganze Welt versank in einem Chaos aus Lärm und brodelndem Wasser. Die Dau wurde von der Flutwelle hoch- und herumgerissen, kippte seitlich, und von einem Augenblick auf den nächsten war die Hälfte der Männer einfach nicht mehr da. Dann drehte sie sich einmal komplett um ihre Achse, bevor sie mit einem gewaltigen Schlag ins Wasser zurückstürzte. Wie alle anderen wurde auch Andrej in die Höhe geschleudert und fiel mit solcher Wucht zurück, dass er beinahe das Bewusstsein verloren hätte. Vielleicht war es nur die Angst um Murida, die ihn wach hielt. Mit zusammengebissenen Zähnen stemmte er sich hoch, entdeckte Muridas Gestalt als verschwommenen Schemen vor sich und kroch blindlings los. Als er sich auf die Knie stemmte und die Hand nach ihr ausstrecken wollte, erzitterte das Boot unter dem Anprall einer weiteren Woge, und Murida kippte mit wirbelnden Armen und einem lautlosen Schrei auf den Lippen nach hinten und verschwand im Wasser.
Mit einer einzigen Bewegung war Andrej dort, wo Murida gerade noch gekniet hatte, zog sich an der niedrigen Bordwand hoch und suchte die Wasseroberfläche inmitten der verzweifelt schwimmenden Gestalten, dem spritzenden Schaum und treibenden Trümmerstücken nach ihr ab. Hier und da schien sogar das Wasser selbst zu brennen. Das Ufer war weniger als zehn Meter entfernt, aber es hätten ebenso gut auch tausend Meilen sein können. Selbst der beste Schwimmer der Welt hätte kaum eine Chance gehabt, dieser kochenden Hölle zu entkommen. Endlich entdeckte er Murida und gestattete sich einen flüchtigen Funken von Hoffnung, denn die Wellen hatten sie bereits den halben Weg zum Ufer getragen. Sie hatte auch nicht das Bewusstsein verloren, sondern kämpfte mit verzweifelten Schwimmbewegungen um ihr Leben. Dann sah er etwas, das ihm schier das Blut in den Adern gefrieren ließ: große Körper, geschuppt und gepanzert und mit Klauen und langen, peitschenden Drachenschwänzen. Statt Atem für einen Schrei zu verschwenden, den das Mädchen ohnehin nicht gehört hätte, sprang Andrej in die Höhe und warf sich mit einem verzweifelten Hechtsprung ins Wasser. Unmittelbar neben Murida tauchte er wieder auf, schlang den Arm um ihre Hüfte und suchte mit aller Kraft das nahe Ufer doch noch zu erreichen. Aber auch das gepanzerte Urzeitungeheuer kam näher, pflügte durch das schäumende Wasser, die anderen strampelnden Körper ringsum nicht beachtend, als wäre es von einer finsteren Macht eigens geschickt worden, um ihn zu bestrafen – oder als wäre es etwas Persönliches. Andrej wusste, dass sie es nicht schaffen würden. Neben ihnen brannte das Wasser auf einer Fläche von guten zwei mal drei Metern, von vorne raste das Krokodil heran, und hinter ihnen regneten noch immer brennende Trümmer von der gekenterten Elisa. Plötzlich spürte er unter seinen Füßen den schlammigen Flussgrund, doch im selben Augenblick, in dem er sich aufzurichten versuchte, war das Krokodil da und riss das gewaltige Maul auf, um nach Murida zu schnappen. Statt aufzuspringen, drückte Andrej das Mädchen nur wieder tiefer unter Wasser und warf sich schützend auf sie. Etwas Riesiges und unvorstellbar Starkes schrammte über seinen Rücken, riss sein Hemd und die Haut darunter auf und drückte ihn noch weiter in die Tiefe und den weichen Schlamm. Murida begann zu strampeln, und obwohl er wusste, dass es unmöglich war, glaubte er sie schreien zu hören. Der gewaltige Schatten glitt weiter über ihn hinweg, schien einfach kein Ende zu nehmen, und als der unerträgliche Druck endlich verschwand und er aufzustehen versuchte, traf ihn der peitschende Schwanz der Bestie an der Brust und presste ihm auch noch das letzte bisschen Luft aus der Lunge. Mehr instinktiv als noch zu einem klaren Gedanken fähig stemmte ersieh hoch, riss Muridas Kopf und Schultern über die Wasseroberfläche und wurde mit einem gequälten Keuchen und Husten und nach Luft Ringen belohnt.
Aber es war nicht vorbei. Das Ungeheuer
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