Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
war, wie es den Anschein hat«, warf Andrej ein. »Zumindest nicht, wenn man bereit ist, sein eigenes Leben in die Waagschale zu werfen.« »Sie haben mindestens doppelt so viele Männer verloren wie wir!«, protestierte Fernandes. »Und ich habe allein zwei von ihnen gesehen, die sich selbst in die Luft gesprengt haben, nur um einige unserer Männer mit in den Tod zu reißen«, fügte Andrej hinzu. »Wer ist dieser Machdi, dass er Menschen dazu bringt, so etwas zu tun?«, fragte Fernandes erschüttert. »Um das herauszufinden, sind wir hier, mein Freund«, erwiderte Sharif.
»Und die Hälfte meiner Besatzung ist dafür gestorben«, sagte Fernandes bitter. »Nicht zu reden von meinem Schiff! Ist Euch klar, dass ich ruiniert bin, Hauptmann?« »Ist das nicht das Risiko eines jeden Seefahrers, Capitan? Schiffe pflegen dann und wann unterzugehen.« »Die Elisa war ein Handelsschiff«, erwiderte Fernandes aufgebracht. »Ich sollte Euch und Eure Männer hierher bringen, nicht in einen Krieg ziehen!« »Glaubt mir, Capitan, das lag auch nicht in meiner Absicht«, antwortete Sharif. »Manchmal richtet sich das Schicksal nun einmal nicht nach unseren Plänen, sondern geht eigene Wege.« Er wandte sich vollends zu Fernandes um, sah ihm in die Augen und dann - deutlich länger - die linke Hand des Kapitäns an, die noch immer fest um den Schwertgriff geschlossen war. »Vielleicht solltet Ihr froh sein, mit dem Leben davongekommen zu sein ‚ Capitan.« Fernandes hätte schon taub sein müssen, um die Drohung nicht zu hören, die in diesen Worten mitschwang, aber in seinem Gesicht war nur Trotz. »Und mein Schiff?«, fragte er. »Und die Familien der Männer, die getötet wurden?« »Es steht Euch selbstverständlich frei, zu Sultan Süleyman zu gehen und ihm Euer Problem vorzutragen«, antwortete Sharif. »Wer weiß, vielleicht zahlt er Euch ja Schadenersatz … in irgendeiner Form.«
Fernandes wollte auffahren. »Vielleicht sollten wir uns alle erst einmal beruhigen«, sagte Andrej rasch, um ihn zum Schweigen zu bringen, wenn es seine eigene Vernunft (oder sein Selbsterhaltungstrieb) schon nicht taten. Dass Sharif bisher so ruhig geblieben war, war ihm ohnehin ein Rätsel. Wie zufällig trat er zwischen ihn und den Janitscharenhauptmann. »Es war für uns alle ein anstrengender Tag, nicht nur für Euch und Eure Männer, Capitan.kh schlage vor, dass wir uns alle erst einmal ausruhen und morgen früh entscheiden, was wir weiter unternehmen.«
»Eine ausgezeichnete Idee«, sagte Sharif, dessen Überlegungen offensichtlich in dieselbe Richtung gingen. »Schickt mir ein paar Freiwillige aus Eurer Mannschaft, Capitan.«
»Gibt es irgendwo noch ein kleines Scharmützel, das Ihr vergessen habt, oder ein paar Piraten, die auf eine Aufforderung warten, uns zu überfallen?«, fragte Fernandes.
»Wenn die Existenz dieser Fanatiker überhaupt etwas Gutes hat«, antwortete Sharif ungerührt, »dann das, dass es gewiss keine Piraten mehr hier gibt.«
»Vermutlich weil sie klüger waren als wir und gar nicht erst hierhergekommen sind«, antwortete Fernandes.
Sharif überging auch diese weitere Spitze und deutete nur mit dem Kopf auf den Fluss. »Ich habe meine Männer angewiesen, die Boote der Machdiji sicherzustellen, soweit sie nicht zu schwer beschädigt sind.«
Ein trockener Knall erscholl, gefolgt von einem schrillen Schrei und gleich zwei weiteren Musketenschüssen, ohne dass Andrej genau sagen konnte, aus welcher Richtung es kam. Mit unbewegtem Gesicht fuhr Sharif fort: »Und es niemand sonst gibt, der Anspruch darauf erhebt, natürlich.
Aber es wäre hilfreich, wenn ihnen ein paar Eurer erfahrenen Matrosen dabei behilflich wären. Wir sind keine Seeleute.«
Fernandes schluckte die bissige Antwort hinunter, die ihm deutlich sichtbar auf der Zunge lag, funkelte Sharif zornig an und fuhr dann mit einem Ruck herum, um in Richtung des improvisierten Lagers davon zustürmen.
»Er hat Glück, dass an diesem Tag schon genug Blut geflossen ist«, sagte Sharif.
»Weil Ihr sonst seines vergossen hättet?«, fragte Andrej.
»Solange er so etwas nicht in Hörweite meiner Männer sagt, wohl eher nicht«, erwiderte Sharif.
»Der Mann ist kein Soldat, Hauptmann«, antwortete Andrej ernst. »Er ist wenig mehr als ein Krämer, auch wenn sein Kaufmannsladen zufällig auf dem Wasser schwimmt … oder es bis vor einer Stunde getan hat. Ihr solltet ihn vielleicht mit etwas weniger Strenge beurteilen als die Männer unter Eurem Kommando.«
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