Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
Sharif mit einem scharfen Befehl zurückgerufen, dem zumindest die Janitscharen auch gehorchten. Der Matrose jedoch stürmte weiter und verschwand hinter den Machdiji in der Nacht, um nie wieder gesehen zu werden.
Auch Abu Dun machte zwei – wenn auch wohl eher symbolisch gemeinte – Schritte in die entsprechende Richtung, blieb aber stehen, noch bevor Andrej ihn zurückrufen konnte. Offensichtlich enttäuscht ließ er den gewaltigen Krummsäbel sinken, schüttelte aber noch einmal drohend die Faust hinter den flüchtenden Männern her. Andrej ging rasch zu Sharif.
Der Janitscharenhauptmann hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, seine Waffe zu ziehen, und ersah auch nicht wirklich besorgt aus, sondern nur erschöpft. Niemand hatte in der zurückliegenden Nacht besonders viel Schlaf gefunden, und er vermutlich gar keinen.
»Verluste?«, fragte Andrej knapp.
Sharif schüttelte müde den Kopf. »Nicht auf unserer Seite«, sagte er. »Sie wollten uns wohl nur wissen lassen, dass sie noch da sind.«
»Wie überaus zuvorkommend. Ich hatte es schon fast vergessen.«
»Sie werden schon dafür sorgen, dass das nicht geschieht«, sagte Sharif mit einem freudlosen Lächeln und fuhr sich mit dem Handrücken durch das Gesicht, wie um nicht vorhandenen Schweiß wegzuwischen. Die Geste verriet Andrej weit mehr über seine wahre Verfassung, als Sharif ahnen mochte. Er war in jenem Zustand der Erschöpfung angekommen, in dem es einem unmöglich ist, auch nur einen halben Atemzug lang stillzustehen, und der oft dem endgültigen Zusammenbruch vorausgeht. Dass Sharif zusammenbrechen würde, glaubte er nicht, aber vielleicht war er gut beraten, nicht alle seine Entscheidungen vorbehaltlos hinzunehmen, bevor der Mann nicht wenigstens ein paar Stunden geschlafen hatte. »Was soll dieser Wahnsinn?«, murmelte er. »Sie verlieren nur sinnlos weitere Männer.«
»Von denen sie genug haben, ganz im Gegensatz zu uns«, fügte Sharif hinzu, nun wieder mit ernsterem Gesicht. »Und sie zermürben uns … nicht, dass das noch nötig wäre. Keiner von uns hat in dieser Nacht viel geschlafen. Wenn das so weitergeht, brauchen sie keine Waffen mehr, um uns zu besiegen.«
Andrej fragte sich, ob das wirklich noch derselbe Sharif war, mit dem er vor wenigen Stunden gesprochen hatte, Sultan Süleymans treuester Gefolgsmann und Herr über noch immer beinahe hundert der besten Soldaten, die es in diesem Teil der Welt gab.
»Was hat Eure Meinung geändert, Hauptmann?«, fragte er geradeheraus.
»Nichts.« Sharif lächelte knapp und fast ein wenig wehleidig und nickte zu Abu Dun. »Was macht Euer Freund da, Andrej?«
Der Nubier war neben einem der toten Machdiji in die Hocke gegangen und durchwühlte dessen Kleider. Andrej ging hin, sah ihm einen Moment lang stirnrunzelnd zu und fragte schließlich: »Wann bist du unter die Leichenfledderer gegangen, Pirat?«
Abu Dun würdigte ihn nicht einmal eines Blickes, sondern grub weiter in den blutigen Kleidern des Toten, bis er schließlich ein Leinensäckchen von der Größe einer Kinderfaust zutage förderte, das er kommentarlos einsteckte. Andrej musste nicht fragen, um zu wissen, was es enthielt.
Er geduldete sich, bis Abu Dun auch das Kat der beiden anderen Toten an sich genommen hatte, doch als er sich aufrichtete und zu den anderen zurückgehen wollte, ergriff er ihn am Arm und raunte ihm zu: »Das wird den Männern nicht gefallen.«
Abu Dun versuchte sich loszureißen, doch das ließ Andrej nicht zu. »Was soll der Unsinn?«, fauchte er. »Du benimmst dich wie ein Süchtiger!«
»Was vielleicht daran liegt, dass ich es bin?«, gab Abu Dun gereizt zurück. Er versuchte noch einmal, sich loszumachen, und als Andrej ihn losließ, öffnete er eines der erbeuteten Kat-Säckchen und nahm gleich vier oder fünf der zartgrünen Blätter heraus, um sie sich einzuverleiben. An einem klebte frisches Blut, was ihn aber nicht weiter zu stören schien.
»Ich verstehe nicht, worüber du dich aufregst, Hexenmeister«, fuhr er schmatzend fort. »Unser tapferer Hauptmann da hat selbst seine Leute die Toten durchsuchen lassen, damit sie mir alles Kat geben, das sie finden.«
»Das ist ein Unterschied, und das weißt du verdammt gut«, antwortete Andrej. »Also hör gefälligst damit auf!« »Und ihr solltet aufhören, euch ständig gegenseitig an die Kehlen zu gehen«, mischte sich Sharif ein. »Vor allem nicht vor aller Augen und Ohren. Das ist nicht gut für die Moral der Männer.«
Abu Dun schob sich
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