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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sie Kat nehmen. Aber auch nur genau so lange. Nehmt es ihnen oder wartet ab, bis es verbraucht ist, und sie werden wieder zu dem, was sie im Grunde sind: Diebsgesindel und Bauernpack. Ihre Vorräte sind nicht unbegrenzt. Und selbst wenn sie es wären, hätten wir eine gute Chance. Das Kat zerstört sie. Dieser Mann ist gestorben, weil er kein Kat mehr bekommen hat, aber sein Schicksal wäre nicht anders gewesen, hätte er es bekommen. Nur später. Alle Kat-Süchtigen sterben. Manche nach Wochen, andere nach Monaten, aber das Ende ist immer dasselbe. Und es kommt schneller, je mehr sie nehmen.« Andrej dachte an die Unmengen von Kat, die Abu Dun in sich hineinstopfte, und schwieg. »Wenn wir sie lange genug aufhalten, haben wir eine gute Chance«, fuhr Sharif fort. »Sie mögen stärker sein als jeder einzelne meiner Männer, aber genau das macht sie auch verwundbar, denn sie bleiben trotzdem, was sie sind.«
    »Ich verstehe«, sagte Andrej. »Ihr wollt, dass wir ihr Kat finden und vernichten.«
    »Ein verlockender Gedanke«, gestand Sharif, »aber nein. Dennoch … folgt mir in mein Zelt, Andrej. Um das Kat werden sich andere kümmern, aber vielleicht habe ich eine Lösung für unser beider Probleme.« Andrej bezweifelte das – es sei denn, Sharif hatte vor, sich in sein Schwert zu stürzen oder eine Runde zwischen den Krokodilen zu schwimmen, die nahe am Ufer im Wasser lauerten –, folgte ihm aber ohne Widerspruch. Ihm war nicht wohl dabei, Abu Dun allein zu lassen, doch er tröstete sich damit, dass der Nubier wohl nichts allzu Schlimmes anstellen würde, solange er noch genügend Kat besaß. Und wenn doch, dann würde wohl nicht einmal er ihn daran hindern können. Sharifs Zelt war winzig und nicht wirklich ein Zelt, sondern ein besserer Unterstand, der aus dem Mast einer aufgebrachten Dau und dem dazugehörigen Segel improvisiert und dergestalt platziert worden war, dass er zumindest Schutz vor dem eisigen Wind bot, wenn schon nicht vor der Kälte, die mit der Nacht gekommen war. Im Inneren roch es muffig, und Sharifs Männer hatten, woher auch immer, einen niedrigen Tisch und zwei dazu passende Stühle aufgetrieben, die Andrej vage bekannt vorkamen. Noch bevor sie ganz eingetreten waren, erinnerte er sich, sie in der Offiziersmesse der Elisa gesehen zu haben. Sharif bot ihm mit einer stummen Bewegung einen Platz an, doch Andrej lehnte ab, ebenfalls wortlos. Sharifs Männer hatten ihr Leben riskiert, um durch das krokodilverseuchte Wasser zu schwimmen und diese Möbel zu bergen? Er wäre sich wie das vorgekommen, was er Abu Dun gerade vorgeworfen hatte, hätte er auf einem dieser Stühle Platz genommen: ein Leichenfledderer.
    Sharif blieb ebenfalls stehen und deutete ein verlegenes Schulterzucken an. Fast als hätte er Andrejs Gedanken gelesen, sagte er: »Es war nicht meine Idee. Die Männer haben vorher dem Sultan persönlich gedient.« Als Andrej auch dazu schwieg, erlosch Sharifs Lächeln wie eine Kerzenflamme in starkem Wind. Er deutete auf den Tisch, auf dem – selbstverständlich – auch ein silbernes Teekännchen und zwei zierliche Tassen aus demselben Material standen, und Andrej fragte sich, wie viele Männerwohl für dieses Geschirr gestorben waren oder ob sie die hungrigen Krokodile vielleicht mit einer Hand, einem Fuß oder irgendeinem anderen Körperteil bestochen hatten. Erst dann fiel ihm auf, dass Sharif ihn vermutlich nicht hergebracht hatte, um ihn auf eine Tasse Tee einzuladen. Vielmehr hatte er das Geschirr zweckentfremdet, um die Ecken einer halb aufgeweichten Landkarte zu beschweren, die darunter auf dem Tisch lag.
    »So ist die Situation«, begann Sharif übergangslos. »Uns sind noch sechsundsiebzig kampffähige Männer geblieben, Fernandes’ Matrosen sowie Euch und Euren Freund nicht mitgerechnet.« »Warum?«
    »Die spanischen Matrosen werden bei der ersten Gelegenheit fliehen«, antwortete Sharif. »Und warum auch nicht. Es ist nicht ihr Kampf. Sie sind uns nichts schuldig. Und für Euch und Euren Freund habe ich andere Pläne.«
    »Und … dürfen Abu Dun und ich sie erfahren, oder wäre das zu viel verlangt, Hauptmann?«, erkundigte sich Andrej mit sanftem Spott.
    Er hatte nicht wirklich damit gerechnet, eine Antwort zu bekommen, ärgerte sich – absurderweise – aber dennoch maßlos darüber, recht zu behalten, als Sharif ihm nur einen schrägen Blick zuwarf und sich dann umwandte, um das improvisierte Zelt auf der anderen Seite zu verlassen. Er schwieg auch beharrlich

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