Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
Klappergestell schon einmal bezwungen, damals, als er ihn aus dem Ersten Kreis vertrieben hatte, und seither würde es ihm immer wieder gelingen.
Gerade hatte er die Hand gehoben, um das Gift aus seinem Körper zu ziehen, als ihn etwas am Knöchel berührte. Unwillig schaute er zu Boden und sah gerade noch die glitschige Schwärze, die an seinem Bein emporkroch. Im nächsten Moment brach Ligurs Gestalt aus ihr hervor, packte Pherodos an der Kehle und grub die Zähne in sein Fleisch. Pherodos schrie auf, so übermächtig drang das Gift plötzlich in ihn ein. Ligur hatte sich in einen glitschigen Leib aus Öl verwandelt, es war unmöglich, ihn zu packen. Stattdessen raste sein Gift durch Pherodos’ Adern und erstickte seinen Schrei. Kaum dass die ersten Schmerzen verklungen waren, zerfielen seine Gedanken wie Figuren aus Asche in strömendem Regen. Nichts blieb zurück als eine undurchdringliche Schwärze, die ihre Fühler boshaft nach allem ausstreckte, das er einst gewesen war. Wie in Trance griff Pherodos sich an die Kehle. Er ertrug diesen Hunger nicht, der sich durch seine Eingeweide grub, er musste ihn löschen, ganz gleich auf welche Art. Er streckte den Arm aus, etwas Weiches kam unter seine Finger, es würde köstlich schmecken. Er griff fester zu, kurz nur spürte er die Flammen von Skelfirs Flanke – doch das war genug. Er riss die Augen auf, Skelfir sah ihn mit schwarzem Schrecken an.
»Verfluchter Bastard!«, brüllte er und sprang auf die Beine, dass Ligur von ihm hinunterglitt wie ein glitschiger Aal. Pherodos presste sich die Klaue auf die Brust, er befahl das Gift in seine Faust, und als es sein Fleisch durchbrach und in seiner Hand verkohlte, fühlte er nichts mehr als den Zorn, den er in Ligurs Augen gespiegelt fand. Schattenhaft rappelte dieser sich auf, er stand da wie ein Tier.
»Die Nacht hat nicht nur dich stärker gemacht«, zischte er und grinste verschlagen. »Die Zeiten, da du mich in deinen Flammen verbrannt hast, sind vorbei!«
Er setzte zum Sprung an, und Pherodos hob die Klaue, um ihn aus der Luft zu pflücken und sein mickriges Genick zu brechen. Doch gerade als Ligur sich vom Boden abstieß, traf ihn ein heftiger Sturmwind vor die Brust. Krachend wurde er zurückgeschleudert und landete im Schlamm. Mit fast beiläufiger Gewalt schlug der Sturm Pherodos den Kopf in den Nacken und erstarb im nächsten Augenblick.
Pherodos sah die Gestalt sofort. Schattenhaft hockte sie hoch oben auf einem Trümmerstück der einstigen Feste und starrte zu ihm herab. War sie schon die ganze Zeit über da gewesen? In ihrer Farblosigkeit verschmolz sie beinahe vollständig mit ihrer Umgebung, gut möglich also, dass Pherodos sie nicht bemerkt hatte. Er erinnerte sich daran, dass es ihm früher oft so gegangen war, und als leichter Wind ihren Umhang anhob und den riesigen Geier sehen ließ, auf dessen Schultern sie hockte, musste er fast lächeln. Manche Dinge änderten sich nie. Noch immer verbarg eine Pestmaske das Gesicht des Reiters, und als er nun von seinem Tier sprang und auf dem Morast landete, konnte Pherodos seine Bewegungen wie damals kaum nachvollziehen, so schnell waren sie. In den aschefarbenen Händen hielt der Reiter einen Stock aus Knochen, der auch als Bogen diente. Wie zur Begrüßung klopfte er auf den Boden. Umgehend brachen auf den umliegenden Leichen blutige Geschwüre auf und begannen zu wuchern.
»Raar«, raunte Pherodos nicht ohne Respekt. »Schatten des Verfalls. Es ist lange her.«
Sein Gegenüber sagte kein Wort, doch das überraschte ihn nicht. Er hatte Raar noch niemals sprechen gehört, und doch hatten sie einiges zusammen erlebt. In vergangenen Zeiten war dieser Krieger der Fäulnis stets gekommen, wenn Pherodos’ Feuer erloschen war, bisweilen gemeinsam mit Ligur, der nun schwankend auf die Beine kam. Und er hatte nicht selten größere Gräueltaten vollbracht als Pherodos mit all seiner Glut. Er nahm den Gestank wahr, der von Raar ausging – ein Geruch von Verwesung schien es zu sein, aber wie jedes Mal war er sich nicht sicher. Vielleicht brannte die Luft in Raars Nähe, weil er in Wahrheit nach nichts roch – so, als wäre er gar nicht da.
Raar klopfte erneut mit seinem Stab auf den Boden. Pherodos zog die Brauen zusammen, als die ersten Toten die zerrissenen Glieder hoben und die Hände nach ihm und Ligur ausstreckten, aber er brauchte nicht lange, um zu begreifen, was vor sich ging. Ja, sie hatten die schönsten Schlachtengemälde gemeinsam gemalt, und er
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