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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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Linnea wollte mehr sagen, aber dann hielt sie inne. Sie atmete schwer. Der leidenschaftliche Zorn in ihren hellen Augen war verschwunden, und etwas anderes, etwas Unerwartetes, war zurückgeblieben. Keine Selbstgerechtigkeit, keine Freude am Unbehagen der Eulenweisen, sondern Schmerz.
    Sonel hatte keine Antwort, weder für die Worte der Ältesten noch auf den Blick in ihren Augen. Sie und Baden hatten seit beinahe vier Jahren dasselbe über den Orden gesagt, und sie konnte es Linnea kaum übel nehmen, dass sie die Wahrheit aussprach. Ihr Mund war trocken, wie von Staub oder Asche, und sie trank einen großen Schluck Tee. Sie fühlte sich vollkommen erschöpft, und als sie schließlich sprach, war ihre Stimme heiser. »Und jetzt willst du wissen, was du mit Cailin anfangen sollst?«, fragte sie. »Wie sich ihre Macht beherrschen lässt?«
    »Ja.«
    »Tatsächlich«, begann die Weise und strich sich abermals die Haarsträhnen aus der Stirn, »gibt es nur wenig, was du tun kannst. Wir kümmern uns um unsere Leute; die gemeinsame Macht aller Magier im Orden hält die Einzelnen auf dem richtigen Weg - das, und der Schwur, den wir ablegen, wenn wir unsere Umhänge erhalten. An Amarids Gesetzen ist eigentlich nichts Magisches; es liegt keine Macht in den Worten selbst außer der Ehre und den Skrupeln, die jeder Magier damit verbindet. Nach allem, was du mir erzählt hast, würde ich annehmen, dass Cailin durch ihre Charakterstärke an den Geist des Gesetzes gebunden ist, selbst ohne den Schwur abzulegen.«
    »Das kann ich nur hoffen«, stimmte Linnea ihr nachdenklich zu.
    »Die Gefahr liegt in ihrem Alter und in dieser Neigung zur Rebellion, von der du gesprochen hast. Ein Kind in diesem Alter, so normal es sonst auch sein mag, kann Wutanfälle bekommen. Und damit müsst ihr vorsichtig umgehen - du musst ihr beibringen, sich zu beherrschen. Ich will nicht einmal daran denken, was euch bevorsteht, wenn sie erst ein paar Jahre älter ist.« Die Weise schüttelte bedächtig den Kopf und kraulte das Kinn ihrer Eule, die auf dem Sims des
    Kamins hockte. Der Vogel öffnete die Augen und begann sich zu putzen. »Ich habe noch nie gehört, dass sich jemand so jung gebunden hätte«, murmelte Sonel eher zu sich selbst als zu der Ältesten. »Du sagst, es sei ein Falke?« »Ein kleiner, ja. Ein Turmfalke, glaube ich.«
    Wieder schüttelte die Weise den Kopf. »Bemerkenswert.« »Gibt es noch mehr, was du mir sagen kannst, Eulenweise?«, fragte Linnea und erhob sich mit raschelndem Gewand.
    »Leider nicht viel. Um ehrlich zu sein, wäre mir wohler zumute, wenn Cailin in der Großen Halle wäre und wir sie beaufsichtigen könnten, aber ich muss akzeptieren, was du sagst: dass sie dem nicht zustimmen würde. Ansonsten kann ich nur raten, sie weiterhin so zu erziehen, wie ihr es zuvor getan habt. Soweit das möglich ist, solltest du sie behandeln wie alle anderen Kinder. Sie sollte sich nicht wie etwas Besonders fühlen und auch nicht annehmen müssen, dass ihr sie fürchtet.« Sonel holte tief Luft und lächelte dünn. »Ich beneide dich nicht, Älteste. Aber wenn es noch etwas gibt, was ich für dich tun kann, zögere nicht zu fragen.«
    Die Hüterin sah sie einen Augenblick lang an, dann nickte sie. »Danke, Sonel. Ich werde dich über Cailin auf dem Laufenden halten.« Sie setzte dazu an zu gehen, aber als sie die Tür erreicht hatte, blieb sie noch einmal stehen. Schließlich drehte sie sich um und schaute Sonel abermals an. »Ich weiß nicht, ob du mir das glauben wirst, Sonel, schon deshalb, weil es von mir kommt. Aber wir im Tempel haben nicht gewollt, dass der Orden versagt. Sicher, wir haben es ausgenutzt, dass die Menschen euch weniger vertrauten und bewunderten, und dafür werde ich mich nicht entschuldigen. Aber wir wissen, dass dem Land letzten Endes am besten gedient ist, wenn ein starker Tempel und ein starker Orden Seite an Seite arbeiten. Ich persönlich freue mich auf den Tag, an dem so etwas möglich sein wird.« Vollkommen verblüfft über diese Worte der Ältesten starrte Sonel sie mehrere Sekunden lang an. Linnea schien ehrlich zu meinen, was sie gesagt hatte, aber es fiel der Eulenweisen schwer zu akzeptieren, dass diese Frau tatsächlich so empfand. Am Ende nickte sie nur und sagte mit so viel Gefühl, wie sie aufbringen konnte: »Auch ich freue mich auf diesen Tag, Älteste.«
    Ohne ein weiteres Wort verließ die Hüterin das Zimmer. Sonel lauschte dem Geräusch von Linneas Schritten, die draußen im

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