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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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Gesetzesbrecher schienen ihren eigenen Angelegenheiten nachzugehen. An einem Tisch ganz in der Nähe saß allerdings eine Gruppe, die nun seit schon beinahe eine Stunde trank und laut feierte, und sie hatten vor einer Weile begonnen, Melyor mit Blicken zu bedenken, die sie nur zu gut kannte. Im Augenblick konnte sie dagegen allerdings nichts tun. Savil war noch nicht da. »Bier«, sagte sie zu dem verbeulten Getränkespender neben sich.
    »Hell oder dunkel?«, erwiderte die metallische Stimme. »Dunkel. Und gekühlt«, fügte sie in Vorwegnahme der nächsten Frage der Maschine hinzu.
    »Bar oder Kredit?«
    Beinahe hätte sie sich vertan. Beinahe. Normalerweise erledigte sie alles per Kredit, denn normalerweise, im Vierten Bezirk, versuchte niemand je zu kassieren. Selbst die Wirte gestanden den Nal-Lords gewisse Privilegien zu. Aber hier, in Savils Bezirk, wäre es natürlich sehr unpassend, wenn jemand hörte, wie sie sich als Melyor i Lakin vorstellte, selbst einem Getränkespender gegenüber. Sie hatte die ganze Sache schon zu lange geplant und war ihrem Ziel zu nahe gekommen, um sich jetzt auf eine so dumme Weise zu verraten. »Bar«, antwortete sie und holte zwei Silberstücke aus dem kleinen Beutel an ihrer Schärpe, um sie in den Schlitz neben dem Lautsprecher zu stecken. Einen Augenblick später hörte sie das Klirren des Metallkrugs und das leise Zischen des Biers, das hineingepumpt wurde. Melyor nahm den Krug aus der Maschine und musste grinsen. Nur drei viertel voll, selbst mit Blume. Einige Dinge sind überall gleich , dachte sie. Sie trank einen Schluck und sah sich noch einmal um. Und dabei entdeckte sie sich selbst im Spiegel auf der anderen Seite der Theke. Das dick aufgetragene Make-up verlieh ihren ansonsten weichen Zügen eine Schärfe, an die sie nicht gewöhnt war, und trotz all ihrer Vorbereitung war sie einen Augenblick lang überrascht, ihr leicht gewelltes, bernsteinfarbenes Haar in weiche Locken gedreht und beinahe zu Blond aufgehellt zu sehen. Es gefiel ihr sogar. Mit der Spur eines Lächelns fuhr sie sich zerstreut durch die Locken. Aber schnell wurde ihre Miene wieder ernst. Das Wichtigste war, dass ihr Aussehen zu der angenommenen Rolle passte.
    Vielleicht ein wenig zu gut, gestand sie sich mit einer innerlichen Grimasse ein. Den Blick immer noch auf den Spiegel gerichtet, beobachtete sie, wie einer der Männer an dem Tisch in der Nähe aufstand, sein Glas leer trank und auf sie zuschlenderte. Langsam stellte sie ihr Bier auf die Theke und holte tief Luft. Sei vorsichtig, mahnte sie sich. »Du bist neu hier«, sagte der Mann zu ihr und lehnte sich so dicht neben ihr an die Theke, dass sie seinen Atem an der Seite ihres Halses spüren konnte. Er stank nach Whiskey. »Ach ja?«, fragte sie und machte sich erst gar nicht die Mühe, ihn anzusehen. Aber sie verlagerte ihr Gewicht ein wenig, um von ihm Abstand zu nehmen.
    »Ja«, sagte er und bewegte sich mit ihr, um den Abstand wieder zu verringern. »Ich kenne die Uestras in diesem Teil des Nal ganz genau, besonders die hübschen. Ich bin sicher, du wärst mir aufgefallen. Ich heiße Dob, und ich bin sehr erfreut, dich kennen zu lernen.«
    Sie warf ihm einen raschen, abschätzenden Blick zu, bevor sie erneut geradeaus starrte. Er war ein großer, kräftiger Mann, einen ganzen Kopf größer als sie und mit breiten Schultern und breiter Brust. Sein Haar war schwarz, und er trug es lang und offen, sodass es ihm auf die Schultern und beinahe auch in die kalten, blauen Augen fiel. Wie bei den meisten Gesetzesbrechern im Nal war sein Bart nicht lang, sondern sah nur so aus, als hätte er sich ein paar Tage lang nicht rasiert. Ihr war schon lange aufgefallen, dass das ein Aussehen war, das die Gesetzesbrecher kultivierten. Andererseits hatte dieser Mann es anders als die meisten seiner Art nicht geschafft, sich die Nase auch nur ein einziges Mal brechen zu lassen - seine war gerade und aristokratisch, was Melyor anzeigte, dass er bei seiner Arbeit entweder sehr gut oder sehr neu war. Aus seiner selbstsicheren Haltung schloss sie das Erstere.
    All das hatte sie schon mit einem kurzen Blick erkannt. All das, und noch zwei andere Dinge, die unter diesen Umständen viel wichtiger waren. Erstens war der Mann gut bewaffnet. Er trug einen Werfer am Gürtel, einen Dolch mit langem Griff in einer Scheide, die an den Oberschenkel geschnallt war, und hatte spitz zugeschliffene Stacheln an den Spitzen seiner schwarzen Stiefel und den starren Manschetten seiner

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